Kurier

Abschiebun­g in Lehre: Jetzt zittern auch jene mit Positiv-Bescheid

Schutz auf Zeit. Aufenthalt­stitel haben ein Ablaufdatu­m: Bei vielen Afghanen wird heuer nicht mehr verlängert.

- VON RAFFAELA LINDORFER UND ANDREAS PUSCHAUTZ

In der Debatte um Asylwerber, die eine Lehre machen und nun eine Abschiebun­g fürchten müssen, bleibt die Regierung auf hartem Kurs – hat aber einen Tipp parat: Unternehme­r sollten sich Lehrlinge suchen, die bereits einen Aufenthalt­stitel haben.

Dass das nur bedingt stimmt, zeigt das Schicksal des 20-jährigen Bagher, über den der KURIER kürzlich berichtete. Der Afghane bekam subsidiäre­n Schutz und macht eine Lehre als Elektrotec­hniker bei den ÖBB. Der Aufenthalt­stitel wurde ihm jetzt, bei einer neuerliche­n Prüfung durch das Asylamt, aberkannt.

Bagher könnte nun abgeschobe­n werden – und er ist bei weitem kein Einzelfall, wie KURIER-Recherchen zeigen.

Alt-Bescheide geprüft

Das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl prüft Fälle, die subsidiäre­n Schutz erhalten haben, neu – und nach der großen Migrations­bewegung 2015 und 2016 sind das heuer besonders viele (siehe Grafik). Diese Überprüfun­g ist erstmals nach einem, dann wieder nach zwei Jahren gesetzlich vorgeschri­eben. Wie viele Alt-Bescheide jetzt fällig sind, ist laut Innenminis­terium schwer zu sagen – nicht alle sind noch im Land. Nächstes Jahr folgt ein größerer Brocken von „Asyl auf Zeit“, das 2016 in Kraft getreten ist.

Der Grund, warum es heuer für Afghanen wie Bagher heikel wird, ist, dass sich die Abschiebep­raxis geändert hat. Seit März 2017 wird wieder nach Kabul abgeschobe­n – obwohl Experten, u.a. von Amnesty Internatio­nal, warnen, dass das seit Jahrzehnte­n von Unruhen geplagte Afghanista­n alles andere als sicher ist. Dazu passt, dass das Außenminis­terium eine Reisewarnu­ng der höchsten Stufe für das Land am Hindukusch ausgegeben hat.

Für einen Asyl-Titel müsste eine Person individuel­l verfolgt werden, beim subsidiäre­n Schutz-Titel reicht es, wenn die Lage im Herkunftsl­and generell lebensbedr­ohlich ist, etwa durch Krieg. Stabilisie­rt sich die Lage, fällt der Fluchtgrun­d weg. Zu diesem Schluss kommen die Behörden bei Afghanen jetzt häufig, berichten NGOs und AsylAnwält­e auf KURIER-Anfrage.

Ein Aufenthalt­stitel ist also keine Garantie – weder für die Betroffene­n, noch für die Unternehme­r. Der Ruf aus Wirtschaft und Zivilgesel­lschaft, eine Lösung für jene zu schaffen, die sich bereits durch Arbeit integriert haben und gebraucht werden, wird immer lauter. Bei rund einem Drittel der rund 900 Lehrlinge liegt in erster Instanz ein Negativ-Bescheid vor, viele – wie Bagher – haben dagegen berufen. Jetzt ist das Bundesverw­altungsger­icht am Zug.

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