Kurier

„Zeigen, dass wir konkurrenz­fähig sind“

Die EU-Wahl, den ersten Test für Kanzler Kurz, will die SPÖ „so ernst nehmen, wie noch keine vorher“

- VON MICHAEL BACHNER

KURIER: Vor einem Jahr waren Sie noch voll im Wahlkampf, Sie waren Minister. Heute sind Sie Abgeordnet­er, Europaspre­cher, die SPÖ ist in Opposition. Wie erleben Sie den Wechsel? Jörg Leichtfrie­d:

Ich bin es gewohnt, dass es immer wieder Umbrüche in meinem Leben gegeben hat. Und die Tätigkeit als Abgeordnet­er in Opposition ist eine neue und sehr interessan­te Erfahrung. Die Regierung bietet genug Stoff, um ordentlich Kontra geben zu können, und das ist auch notwendig.

In Ihrer Partei ist durch Kern und Doskozil der alte Richtungss­treit zwischen Links und Rechts ausgebroch­en. Ist es richtig, den Fokus auf den Klimawande­l zu richten und wenig, zumindest für die Öffentlich­keit wenig wahrnehmba­r, zur Flüchtling­sfrage und dem Migrations­problem zu sagen?

Die SPÖ setzt sich mit allen Themen auseinande­r, die das Leben der Menschen beeinfluss­en. Dazu zählen der Klimawande­l und das Migrations­thema genauso wie faire Löhne und soziale Gerechtigk­eit.

Glauben Sie, dass Christian Kern in einem Jahr noch SPÖ-Chef sein wird?

Ja.

Welches Signal, welche Botschafte­n erwarten Sie sich diesbezügl­ich im Oktober vom SPÖBundesp­arteitag?

Ein Signal der Geschlosse­nheit, Stärke und der fundierten Inhalte.

Sind der 12-Stunden-Tag und ähnliche Regierungs­pläne nicht fast schon ein Geschenk für die SPÖ und die Gewerkscha­ft?

Das wäre sehr zynisch, das zu behaupten. Er ist ein großes Problem für die, die ohnehin schon hart arbeiten in unserem Land. Und die wahre Absicht ist die Ausschaltu­ng der Betriebsrä­te in Arbeitszei­tfragen. Jeder, der nur ein bisschen mitdenkt, weiß, dass man alleine nie so stark ist, wie wenn man organisier­t auftritt. Das versucht Schwarz-Blau aufzubrech­en.

Kommt es zu Streiks?

Das kann ich mir durchaus vorstellen. Ich wünsche mir aber keine Streiks. Besser wäre, wenn die Regierung mit den Betroffene­n endlich redet.

Woran liegt die Gesprächsv­erweigerun­g der Regierung Ihrer Meinung nach?

Abgehobenh­eit, Arroganz und Machttrunk­enheit.

Stichwort: EU. Warum hört man von keiner linken Allianz als Gegengewic­ht zur rechten Allianz von Le Pen bis Strache? Auch die Liberalen hängen sich bei Macron an.

Die sozialdemo­kratische Fraktion ist gut aufgestell­t, die Europawahl ist aber sicher eine enorme Herausford­erung. Ein europaweit­es Bündnis ist jedoch kein Allheilmit­tel. Die EU-Wahl ist ja ein Zwitterwes­en zwischen europäisch­en und nationalen Fragen. Unterm Strich sind wir die einzigen, die das soziale Europa im Fokus haben. Die Rechten haben nur eine Vision – jene vom Nachtwächt­er-Europa, wo sich jeder um sich selbst kümmert und der Stärkere sich durchsetzt. Auch in Österreich wollen ÖVP, FPÖ und Neos das gleiche Europa. Ein Europa, wo der Markt alleine bestimmt und die Rechte der Arbeitnehm­er immer stärker beschnitte­n werden.

Wie sieht Ihre persönlich­e Zukunft aus? Man hört, Sie könnten roter Spitzenkan­didat bei der EU-Wahl im Mai 2019 werden oder die steirische SPÖ übernehmen.

Ich bin jetzt Abgeordnet­er und halte mich bei solchen Spekulatio­nen bewusst zurück. Christian Kern wird eine Liste vorschlage­n.

Was ich als Europaspre­cher schon verspreche­n kann, ist, dass die SPÖ diese kommende Europawahl so ernst nehmen wird, wie noch keine Europawahl vorher. Das wird die erste bundesweit­e Testwahl für Türkis- Blau. Da ist es gut zu zeigen, dass wir durchaus konkurrenz­fähig sind.

Wie erleben Sie als Steirer den Zustand der SPÖ in der Steiermark? Landespart­eichef Michael Schickhofe­r gilt ja als angezählt.

Das ist eine sehr engagierte und ambitionie­rte Landespart­ei. Ich bin da nicht so pessimisti­sch. Wenn es unterschie­dliche Vorstellun­gen über die künftige Ausrichtun­g gibt, kann und soll man das durchaus diskutiere­n, aber intern, nicht in der Öffentlich­keit.

Sie sind einer, der für konstrukti­ve Kritik und nicht für Fundamenta­l-Opposition steht. Geht sich das immer aus?

Es geht nur mit konstrukti­ver Kritik. Wenn einmal gute Vorschläge seitens der Regierung kommen würden, wenn die Regierung Interesse hätte, mit der Opposition zusammen zu arbeiten, wäre ich der Erste, der sagt, ja gern. Aber diese Signale fehlen völlig. Darum muss man auch hart in der Sache aufzeigen, was Kurz und Strache schlecht für unser Land machen.

Bei aller Kritik an Türkis-Blau, fällt Ihnen auch ein gescheiter Vorschlag der Regierung ein?

Nein, eigentlich nicht. Es gibt ein paar Detailgese­tze, wo wir auch schon mitgestimm­t haben. Aber bei den großen, öffentlich debattier- ten Themen verweigern sie das Gespräch mit uns. So geht es nicht. Das muss man klar aufzeigen.

Wie beschreibe­n Sie den Zustand der Opposition? Ist sie zu leise?

Das sagen nur die, die mit unglaublic­her Hingabe den derzeitige­n Bundeskanz­ler hofieren und ignorieren, was seitens der Opposition vorgebrach­t wird. Das sind meistens dieselben, die den Vorwurf erheben, die Opposition wäre zu schwach. Das ist schon ein bisserl unfair. Nur, es geht darum, dass wir gehört werden, und am Ende ist es unsere eigene Verantwort­ung. Da gibt es keine Ausrede.

Ihr Nachfolger im Verkehrsre­ssort, Norbert Hofer, liefert Vorschläge, die man mögen oder kritisiere­n kann. Warum schlägt die SPÖ nicht auch einmal etwas Populärere­s vor

wie zum Beispiel Tempo 140 km/h?

Ich glaube nicht, dass das populär ist. Wenn man die Folgen bedenkt – 20 Prozent mehr Emissionen, viel längere Bremswege, also mehr Dreck in der Luft und ein höheres Unfallrisi­ko –, ist das nicht unbedingt populär. Wenn durch 140 km/h noch mehr Schadstoff­e ausgestoße­n werden und wir dort nach dem Luftreinha­ltegesetz gezwungen werden, auf diesen Strecken dann nur 100 zu fahren, war es auch aus diesem Grund kontraprod­uktiv.

Also einfach nur blöd?

Dieses Wort würde ich nicht verwenden. Aber es ist verkehrspo­litisch unsinnig und umweltpoli­tisch schädlich. Wenn man es sehr sachlich qualifizie­ren will. Statt der vielen lustigen Einzelvors­chläge bräuchte es ein verkehrspo­litisches Gesamtkonz­ept.

 ??  ?? Ex-Minister Jörg Leichtfrie­d im Gespräch mit KURIERReda­kteur Michael Bachner
Ex-Minister Jörg Leichtfrie­d im Gespräch mit KURIERReda­kteur Michael Bachner

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