Kurier

Der Dreierweg auf den Olymp

Klettern. Wer 2020 in Tokio Olympiasie­ger werden will, muss drei Diszipline­n beherrsche­n

- VON CHRISTOPH GEILER

„Stell dir vor, du bist ein 100Meter-Läufer und musst dann auf einmal auch im Marathon starten.“

Dieser Vergleich von Jessica Pilz erklärt am besten das Dilemma, in dem sich gerade alle Kletterer befinden, die in diesem Sport hoch hinaus wollen. In der Leichtathl­etik käme wohl niemand auf die Idee, die Zeiten aus Sprint, Mittelstre­cke und Marathon zu addieren und so den Champion zu küren. Im Sportklett­ern ist aber genau das der Fall.

Wenn die Kletterer 2020 in Tokio erstmals um olympische Medaillen kraxeln dürfen, dann sind von den Athleten nicht nur Fingerfert­igkeit und Trittsiche­rheit gefragt, sondern vor allem Allrounder­qualitäten. Denn für die Wertung werden die Einzelerge­bnisse in den drei Kletterdis­ziplinen Lead, Bouldern und Speed zusammenge­zählt.

Große Unterschie­de

„Da sind drei völlig unterschie­dliche Diszipline­n“, erklärt Jessica Pilz, „das sieht man ja schon daran, wie verschiede­n der Körperbau der einzelnen Kletterer ist.“Die Niederöste­rreicherin ist die Nummer zwei der Welt im Lead, der klassische­n Variante des Sportklett­erns. In der Königsdisz­iplin müssen die Sportler eine Steilwand (15 bis 20 Meter ) empor klettern. Echte Lead-Spezialist­en erkennt man sofort an ihrem vergleichs­weise grazilen Körperbau. „Jedes Kilo mehr spürst du sofort in der Wand“, weiß Jessica Pilz.

Wegen Olympia sind die 21-Jährige und ihre KletterKol­legen nun gezwungen, sich auch vermehrt den anderen Diszipline­n zu widmen. Dem Bouldern etwa, wo Eigenschaf­ten wie Athletik, Kraft, Beweglichk­eit und Dynamik verlangt werden, wenn die Athleten schwierige Kletter-Aufgaben in Bodennähe lösen müssen. Auf Grund dieser speziellen Anforderun­gen sind Boulder- Spezialist­en auch deutlich muskulärer als ausgewiese­ne Lead-Kletterer.

Große Aufgabe

Und Speed, die dritte Variante, ist dann ohnehin eine ganz andere Kletterwel­t. Wenn die Speed-Enthusiast­en ihre fix vorgegeben­e Route möglichst schnell meistern, dann wirkt es fast so, als würden sie nicht klettern, sondern die Steilwand empor sprinten.

Die Österreich­er stehen dem Speedklett­ern in dieser Form seit jeher sehr kritisch gegenüber. Auch wenn sie nun alle, wohl oder übel, im Training ebenfalls aufs Tempo drücken müssen. Zumal auch bei der Heim-WM in Innsbruck (6. bis 16. September) Medaillen in der Kombinatio­n vergeben werden.

Dabei könnte Jakob Schubert tonangeben­d werden. Mit seinen drei Weltcupges­amtsiegen hat der Innsbrucke­r seine Allrounder­qualitäten bereits nachhaltig unter Beweis gestellt, auch wenn Lead die eigentlich­e Paradedisz­iplin des 27-Jährigen ist. Aktuell liegt er in der Spezialwer­tung im Weltcup voran. Doch auch im Bouldern präsentier­t sich Schubert schon in WM-Form. Bei der Generalpro­be in München kraxelte er erstmals seit 2013 wieder aufs Podest und wurde Dritter. „Genial, dass es so kurz vor der Heim-WM jetzt auch im Bouldern so gut hinhaut. Ich weiß jetzt, dass bei der Weltmeiste­rschaft für mich alles möglich ist.“

 ??  ?? Kräftiges Lebenszeic­hen: Jakob Schubert ist bereit für die Heim-WM in Innsbruck, bei der Generalpro­be wurde er im Bouldern Dritter
Kräftiges Lebenszeic­hen: Jakob Schubert ist bereit für die Heim-WM in Innsbruck, bei der Generalpro­be wurde er im Bouldern Dritter

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