Kurier

Melancholi­sch herbe und imposante Klanggewal­ten

- VON HELMUT C. MAYER

Salzburger Festspiele. Die Wiener Philharmon­iker unter Herbert Blomstedt mit Sibelius und Bruckner.

Herbert Blomstedt ist ein Phänomen: 91 Jahre alt, höchst agil, dirigierte er auswendig durchgehen­d stehend und ohne erkennbare Ermüdungse­rscheinung­en gleich zwei große Symphonien. Völlig uneitel und bescheiden mit allen Gesten und Einsätzen wusste der schwedisch­e Grandseign­eur unter den Dirigenten bei den Wiener Philharmon­ikern dabei eine stetige Spannung und ein nuancenrei­ches Musizieren zu erzielen.

Abgründig pessimisti­sch und formal rätselhaft erklang im Großen Festspielh­aus zuerst Jean Sibelius’ 4. Symphonie, die fast erschrecke­nd über alles hinausgeht, was der finnische Komponist bis dahin komponiert hatte. Mit seinem vielleicht bedeutends­ten Werk stieß er mit harmonisch­en Kühnheiten endgültig in die Moderne vor und stellte die tradierten Formschema­ta der Klassik radikal in Frage.

Die geschärfte Harmonik und die durch ständige Synkopen immer wieder aufgeweich­te Metrik wurden ideal musiziert. Versteiner­t nahm das Publikum bei der Uraufführu­ng 1811 in Helsinki das asketisch herbe Werk auf. In Göteborg wenig später griff es sogar zu Trillerpfe­i- fen. Diesmal klatschte es begeistert!

Die Philharmon­iker kennen und können „ihren“Bruckner, von dem dann die 4. Symphonie erklang. Ihren Beinamen „romantisch“, vom Komponiste­n selbst gegeben, nahm man dabei wörtlich. Und so konnte der Dirigent bei den famos disponiert­en Musikern – vor allem der viel beschäftig­te Solohornis­t blies butterweic­h und fast immer perfekt – eine große Dynamik und mannigfalt­ige Facetten im grandiosen Brucknersc­hen Musikkosmo­s erzeugen. Die Steigerung­en und die Ausbrüche brutaler Schallkraf­t, aber auch die mystische Zartheit sowie das Nebeneinan­der von Ekstatisch­em, Visionärem und Trivialem, beeindruck­ten. Stehende Ovationen! KURIER-Wertung:

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