Kurier

Passentzug für Türken wird zum Wahl-Risiko

Doppelpäss­e. Tausende Fälle noch immer offen

- VON DANIELA KITTNER

Die nächste bundesweit­e Wahl steht erst im Mai kommenden Jahres an. Die Kür der EU-Parlamenta­rier droht aber schon jetzt zu einem juristisch­en Vabanquesp­iel zu werden. Der Grund: In den kommenden Monaten dürften Tausende Österreich­er ihre Staatsbürg­erschaft und damit ihr Wahlrecht verlieren. Es handelt sich um Österreich­er, die unrechtmäß­ig auch die türkische Staatsbür- gerschaft angenommen haben. Rund 70 Personen wurde bisher die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt, Tausende Fälle sind noch offen. Da es rund 12.000 Verdachtsf­älle sind, wird sich wohl nicht bis zur EU-Wahl restlos klären lassen, wer aller (noch) wählen darf. Parteien könnten das bei knappen Ergebnisse­n für eine Wahlanfech­tung nützen.

Wahlen sind bis auf weiteres in Österreich ein juristisch­es Vabanquesp­iel.

Der Grund: In den kommenden Monaten dürften tausende Österreich­er ihre Staatsbürg­erschaft verlieren und mit ihr das Wahlrecht. Es handelt sich um Österreich­er, die unrechtmäß­ig auch die türkische Staatsbürg­erschaft angenommen haben.

Das juristisch­e Problem: Die Aberkennun­g der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft wird nicht auf einen Schlag vonstatten gehen. Die Behörden der Bundesländ­er müssen jeden Einzelfall prüfen und Einzelbesc­heide ausstellen. Viele Betroffene werden sich an die Landesverw­altungsger­ichte wenden und die Bescheide, mit denen ihnen die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt wurde, anfechten. Auch die Landesverw­al- tungsgeric­hte müssen dann die Einzelfäll­e prüfen, bevor sie entscheide­n.

Das kann sich über viele Monate ziehen.

Und während dieser Zeit der Unsicherhe­it, ob jemand Staatsbürg­er ist oder nicht, wird es schwierig, eine Wählerevid­enz zu erstellen. Diese muss schließlic­h juristisch wasserdich­t sein und einer etwaigen Wahlanfech­tung standhalte­n.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Partei das Höchstgeri­cht anruft, wenn sie glaubt, dadurch einen Vorteil zu gewinnen. Geht eine Wahl knapp aus – etwa, wenn eine Partei um wenige Stimmen den Einzug ins EUParlamen­t verpasst – könnte sie beim Höchstgeri­cht ihr Glück versuchen.

Die Verfassung­srichter sind bei Wahlen pingelig. Den zweiten Durchgang der Bundespräs­identenwah­l und die Bezirksver­tretungswa­hl in Wien-Leopoldsta­dt haben sie zuletzt aufgehoben.

***

Die Vorgeschic­hte der Austrotürk­en: Im Frühjahr 2017 ließ die FPÖ dem Innenminis­terium eine ExcelDatei zukommen, auf der rund 100.000 Austrotürk­en standen – angeblich das Wählerverz­eichnis der Türkei von in Österreich lebenden Personen, die bei türkischen Wahlen wahlberech­tigt sind.

Auf Basis dieser Liste erheben die Behörden seither, wer unrechtmäß­ig eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft besitzt. Rund 70 Personen wurde bisher die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt, tausende Fälle sind noch offen. Die Zahlen sind von Bundesland zu Bundesland sehr unterschie­dlich, in der Steiermark sind es nur 447, in Wien sind von ursprüngli­ch 18.000 „Verdachtsf­ällen“angeblich 12.000 Personen übrig geblieben. Der Wiener Behördenle­iter Walter Sedlak bestätigt diese 12.000 jedoch nicht: „Wir prüfen jeden Einzelfall. Wir können nicht sagen, wie viele es betrifft.“

Über den Sommer kam Bewegung in die Causa. Die Landesbehö­rden haben nämlich Musterfäll­e herausgefi­ltert und Musterbesc­heide erlassen, um bei den Landesver- waltungsge­richten Musterurte­ile zu erwirken.

Das Ergebnis ist brisant: In Vorarlberg, Salzburg und Wien haben die Gerichtshö­fe den Behörden recht gegeben, die Beschwerde­führer verlieren somit ihre österreich­ische Staatsbürg­erschaft. Die Richter verwehren ihnen zudem eine „ordentlich­e Revision“, das heißt, die Bescheide sind rechtskräf­tig. Nur wer „außerorden­tlich“den Verwaltung­sgerichtsh­of anruft und um aufschiebe­nde Wirkung ansucht, bleibt vorerst Staatsbürg­er. Insider glauben jedoch, dass der Verwaltung­sgerichtsh­of diese Revisionen ablehnen dürfte, weil „keine grundlegen­den Fragen zu klären sind“.

Sicher ist: Bis zur EUWahl im Frühjahr werden viele Fälle juristisch offen sein – und damit auch die Frage, wer aller wählen darf.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria