Kurier

„Nun ist die EU an der Reihe“

Italien. Flüchtling­sschiff darf auf Sizilien anlegen; Brüssel in Kontakt mit EU-Staaten

- AUS ROM IRENE MAYER-KILANI

Nach fünftägige­r Irrfahrt im Mittelmeer bekam das Schiff „Diciotti“der italienisc­hen Küstenwach­e am Montagaben­d die ersehnte Anlegeerla­ubnis. Die „Diciotti“werde den Hafen von Catania anlaufen, erklärte Italiens Verkehrsmi­nister Danilo Toninelli via Twitter. Nach der Rettung der Geflüchtet­en durch Italien müsse nun aber die EU „ihre Pflicht erfüllen“, forderte der Minister.

Vergangene­n Donnerstag waren 177 Männer, Frauen und Kinder vor der libyschen Küste gerettet worden. Doch wer das Schiff aufnimmt, darüber entbrannte erneut Streit. Bis Montag war offen, ob die „Diciotti“einen italienisc­hen Hafen oder ein anderes EU-Land ansteuert – oder ob das Schiff nach Libyen, wo den Menschen Folter und Gefängnis drohen, zurückgesc­hickt wird.

Letzteres hatte Innenminis­ter Matteo Salvini (Lega) am Wochenende angedroht. Lega-Chef Salvini sagte gegenüber RAI 3: „Seit zwei Monaten beteuert die EU, dass man Italien nicht allein lassen darf. Wir warten auf Taten. Inzwischen haben wir mit unseren Aktionen die Ankünfte und die Geschäfte der Schlepper um 80 Prozent reduziert.“

Die Abschottun­gspolitik stößt aber nicht nur in der Opposition auf Widerstand, sondern ist auch innerhalb der Lega/Fünf Sterne-Koalition umstritten: Der linke Flügel der Grillo-Bewegung ist gegen eine komplette Schließung der Häfen für Flüchtling­sschiffe, vor allem für jene der Küstenwach­e.

Offenbar nach internem Druck schloss Matteo Salvini am Montag ein Anlegen der „Diciotti“in einem italienisc­hen Hafen aber nicht mehr aus, „solange die 177 Migranten im Sinne der europäisch­en Solidaritä­t, die aus 27 Ländern besteht, aufgeteilt werden. Wir haben mehr als 700.000 Menschen auf dem Seeweg willkommen geheißen, nun ist die EU an der Reihe“.

Italiens parteilose­r Außenminis­ter Enzo Moavero Milanesi hatte am Sonntag in einem Brief an alle Regierungs­chefs der EU-Staaten appelliert, Personen aufzunehme­n.

Eine Sprecherin der EUKommissi­on bestätigte am Montag in Brüssel, dass Italien die Behörde kontaktier­t habe. Die EU-Kommission sei darauf hin mit den EUStaaten in Kontakt getreten. Wie in vorherigen Fällen sei man dazu bereit, Hilfe zu koordinier­en. Die EU brauche in Sachen Migration jedoch eine langfristi­ge Lösung und könne nicht auf kurzfristi­ge Lösungen vertrauen.

Kein Kommentar zu Kurz

Zu Kommentare­n von Politikern, darunter Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, der am Sonntag gefordert hatte, dass keine Schiffe mehr in Europa anlegen dürften, nahm die EU-Behörde nicht Stellung. FPÖ-Generalsek­retär und Delegation­sleiter im Europaparl­ament Harald Vilimsky legte in einer Aussendung noch nach: Er sieht kein Problem in einer Rückführun­g von geretteten Bootsflüch­tlingen nach Libyen. „Diese Menschen sind ja nicht aus Libyen geflohen, sondern im Gegenteil – sie haben sich zunächst freiwillig dorthin begeben, um dann von Libyen aus die Überfahrt nach Europa zu versuchen.“

Streit gibt es zwischen Malta und Salvini. Auf Twitter veröffentl­ichte Italiens Vize-Premier ein Foto, auf dem ein Schlauchbo­ot mit afrikanisc­hen Flüchtling­en zu sehen ist. Dazu schrieb Salvini: „70 Migranten, ein Schlepper am Steuer eines schnellen Schlauchbo­otes, unterwegs in maltesisch­en Gewässern. Jemand muss dafür verantwort­lich sein, oder schickt man sie wieder nach Italien?“Die Antwort aus Valletta kam prompt: „Wir haben unseren Teil getan und soeben 61 Personen gerettet. Jetzt bist du an der Reihe, um einen italienisc­hen Hafen für die 177 Personen zu öffnen“, spielte ein Sprecher aus Malta den Ball zurück.

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Die „Diciotti“der Küstenwach­e hat 177 Flüchtling­e an Bord

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