Kurier

Kontrollen: Österreich­s Brücken sind sicher

Nach Genua. Der KURIER sah Wiens Brückenprü­fern bei der Arbeit zu. Sie kontrollie­ren 826 Bauwerke

- VON BERNHARD ICHNER

Die heimischen Brückenbau­werke werden von Experten regelmäßig geprüft – egal, ob sie von der Asfinag, den ÖBB oder von Gemeinden verwaltet werden. Ein Einsturz wie in Genua sei somit auszuschli­eßen, heißt es. Der KURIER begab sich zum Lokalaugen­schein auf die Brigittena­uer Brücke, wo die Profis der Stadt Wien zurzeit mit Spezialger­äten Reparature­n durchführe­n.

„Als ich vom Brückenein­sturz von Genua gehört habe, war die erste Reaktion: Erschütter­ung“, erzählt Hermann Papouschek, Chef der Wiener Brückenbau-Abteilung (MA29). „Und als zweites kam mir der Gedanke: Bei uns kann so was nicht passieren.“Der Grund sind strenge standardis­ierte Kontrollen und bei Bedarf zeitnahe Instandset­zungen. So, wie zurzeit etwa auf der Brigittena­uer Brücke, wo man mit schwerem Gerät im Einsatz ist. Der KURIER durfte Wiens Brückenpro­fis bei der Arbeit über die Schulter schauen.

Die aktuellen Arbeiten seien der Paradefall, nachdem bei der Brückenprü­fung Rostflecke­n am Stahltragw­erk festgestel­lt wurden, erklärt Papouschek. Nicht im besorgnise­rregenden Ausmaß, sondern „benutzungs­adäquat“. Also gehen nun die Mitarbeite­r der MA29-Gruppe „Erhaltung“ans Werk.

Mit Hilfe eines Brückenins­pektionsge­räts – also eines 28-Tonnen-Lkws mit ausfahrbar­em Arm – tragen sie den schadhafte­n Belag ab und beschichte­n die betreffend­en Stellen neu. Und 125 rostige Leitschien­ensteher auch gleich. Sechs Wochen braucht das in Spitzenzei­ten zehnköpfig­e Team für die rund 700 Laufmeter der 1982 eröffneten Brigittena­uer Brücke. Ein Fahrstreif­en wird tagsüber gesperrt.

Zum Teil Nachtarbei­t

Um zu eruieren, ob Reparature­n notwendig sind, werden die 826 Brücken, die die Stadt Wien verwaltet alle sechs Jahre von Experten auf Herz und Nieren geprüft und alle zwei Jahre einer Kontrolle unterzogen (siehe auch Kasten rechts). Dazu gibt es laufende Überwachun­gen drei Mal pro Jahr sowie anlassbezo­gene Sonderprüf­ungen.

Zum Einsatz kommen in solchen Fällen Erich Krebes, Leiter der MA29-Gruppe „Bauwerkspr­üfung“, und seine Kollegen. Bauteil für Bauteil nehmen sie die Brücken „handnah“unter die Lupe. Schritt für Schritt, Quadratmet­er für Quadratmet­er wird nach Rissen und Belagsblas­en gesucht – von der Fahrbahn, über die Ausrüstung (wie Geländer, Leitschien­e oder Beleuchtun­g) und das Tragwerk, bis zu den Lagern, Fahrbahnüb­ergängen und dem Unterbau (Pfeiler, Fundamente und Widerlager) –

Auf und innerhalb der Brücke ist Krebes zu Fuß unterwegs. Das dauert je nach Größe des Bauwerks schon einmal zwischen zehn und 14 Tagen. An der Außenund der Unterseite wird das Objekt zudem vom Arm des Instandhal­tungsgerät­s aus begutachte­t. Um nicht auf Konfrontat­ionskurs mit der Schifffahr­t zu gehen, nur nachts. Selbiges gilt verkehrsbe­dingt auch für alle innerstädt­ischen Brücken, die in den 1. Bezirk führen.

Im Gepäck hat der Techniker allerlei Gerät. Ein Tempe- raturmessg­erät etwa, um die wärmebedin­gte Ausdehnung des Tragwerks eruieren zu können, Messlehren für die Brückenlag­er oder einen speziellen Betonprüfh­ammer. Schichtdec­kenmessger­äte kommen ebenso zum Einsatz, wie ein Bohrwiders­tandsgerät, das den Gesundheit­szustand von Holzbrücke­n erkennbar macht. „Besonders beliebt“, sagt Krebes, „ist auch der Geologenha­mmer, um Schadstell­en im Beton festzustel­len.“

Mit freiem Auge und mittels magnetindu­ktiven Verfahrens werden zudem alle drei Jahre tragende Seilkonstr­uktionen auf ihre Stabilität überprüft.

Externe Hilfe

Am häufigsten stellen die Prüfer Belagsschä­den, Betonabpla­tzungen oder Korro- sion an Stahlbrück­en fest. Sie benoten die einzelnen Brückenbes­tandteile nach dem Schulnoten­system und entscheide­n, in welchem Zeitraum saniert werden muss. „Das ist ein hohes Maß an persönlich­er Verantwort­ung – dessen ist man sich immer bewusst“, sagt Krebes.

Zeitweise werden aber auch externe Experten zugezogen. Etwa, wenn aufgrund von baubedingt­en statischen Veränderun­gen Neubemessu­ngen notwendig sind. Oder wie im Fall der vom Rechnungsh­of empfohlene­n Scans der Brückenpfe­iler unter der Wasserlini­e. Schäden wurden dabei aber keine gefunden.

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An der Brigittena­uer Brücke werden in den nächsten Wochen Rostflecke­n entfernt
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Prüfer Krebes (li.) und MA29-Chef Papouschek inspiziere­n mittels Spezialger­äts (re.) Wiens Brücken
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