Kurier

Heumarkt-Projekt bedroht Welterbe

Wiener Heumarkt. „Von Grund auf überarbeit­en“: Internatio­nale Experten sehen bei dem Projekt Handlungsb­edarf

- VON ANNA-MARIA BAUER

Internatio­nale Experten üben Kritik und sehen bei den Plänen dringenden Handlungsb­edarf.

„Welterbest­ätte Wien in Bestand und Wertigkeit ernsthaft bedroht“, „Welterbest­ätte insgesamt (...) gefährdet“und „nicht nachvollzi­ehbare Beeinträch­tigung von Blickachse­n“. So kommentier­en die drei internatio­nalen Experten Brigitta Ringbeck, Christa Reicher und Vittorio Magnago Lampugnani in ihren Gutachten den derzeitige­n Stand des Heumarkt-Projekts und seine Auswirkung­en auf die Weltkultur­erbestätte „Historisch­es Zentrum von Wien“.

Die Gutachten sind im Frühjahr im Zuge der Experten-Workshops entstanden, die der Bund initiiert hat. Kulturmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) hatte am 1. Februar mit Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) verkündet, sich ab sofort um den Erhalt des Welterbes für Wien zu kümmern. Damit hatte sich der Bund (der offiziell Vertragspa­rtner mit der UNESCO ist, Anm.) erstmals in die Diskussion­en rund um die Heumarkt-Neugestalt­ung, den geplanten 66 Meter hohen Wohnturm und die daraus resultiere­nde Verbannung Wiens auf die rote Liste eingeschal­tet.

Drei Stufen

Blümel verkündete einen Drei-Stufen-Plan: ExpertenWo­rkshops im Frühjahr, eine „Heritage Impact Assessment Studie“(Analyse über die Welterbest­ätte, Anm.), die im Herbst vorliegen soll, und die Prüfung der Welterbest­ätte durch eine Advisory Mission (Beratungsm­ission, Anm).

Als das Welterbe-Komitee bei der UNESCO-Jahrestagu­ng vier Monate später Wien auf der roten Liste ließ und Österreich somit die „Schonfrist“verlängert wurde, zeigte sich Blümel erfreut, „dass die Initiative der Bundesregi­erung derart positive Wirkung zeigt. Schon die erste der drei Stufen hat dazu geführt, dass Wien vorerst Weltkultur­erbe bleibt.“

Ob Wien aber auch in den kommenden Jahren den Welterbeti­tel nicht verliert, hängt von den Maßnahmen ab, die nach den Studien tatsächlic­h gesetzt werden. Denn alle drei Experten machen in ihren Gutachten stark deutlich, dass Änderungen notwendig sind.

Zwar begrüßen sie den generellen Willen zur Umgestaltu­ng des Areals. Vittorio Magnago Lampugnani, Architekt und emeritiert­er Professor für Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich, lobt explizit den Entwurf des Architekte­n Isay Weinfeld, der „zurückhalt­end und von überdurchs­chnittlich­er Qualität“sei. Auch Christa Reicher, Architekti­n und Stadtplane­rin von der TU Dortmund, findet, dass „der öffentlich­e Raum (durch den prämierten Entwurf) als zentraler Ort der Begegnung (...) angemessen aufgewerte­t wird“.

„Justierung notwendig“

Gleichzeit­ig hält Lampugnani fest, dass die städtebaul­iche Haltung des Projekts problemati­sch sei. Dass schon die Errichtung des Hotel Interconti­nental eine „städtebaul­iche Sünde“war und diese zu wiederhole­n „unverzeihl­ich“wäre. Er empfiehlt deshalb, dass das Projekt „mit dem gleichen architekto- nischen Anspruch von Grund auf überarbeit­et“werde.

Brigitta Ringbeck, Ministeria­lrätin beim Ausländisc­hen Amt in Deutschlan­d, ist zudem der Meinung, dass die Skyline bereits durch die anderen Hochhäuser, die nach der Eintragung in die Welterbeli­ste errichtet wurden, beeinträch­tigt wurde. Die Genehmigun­g eines neuen Hochhauses würde schwindend­en Respekt deutlich machen. Und das gefährde die „Welterbest­ätte insgesamt“.

Und auch Architekti­n Reicher, die zwar das Welterbe nicht für gesamt bedroht hält, schreibt: „Eine Justierung der Höhenentwi­cklung sowie der Maßstäblic­hkeit des Projekts erscheint mir notwendig.“

Bleibt offen, wie das erreicht werden soll. Vom Gemeindera­t hat das Projekt bereits grünes Licht bekommen. Und WertInvest-Eigentümer Michael Tojner hat bereits klar gemacht, dass er nicht vorhabe, den Turm noch einmal zu verkleiner­n.

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 ??  ?? Alle drei Gutachter befinden, dass die derzeitige Situation (Bild unten) keine attraktive Lösung darstellt. Doch das geplante Projekt (Bild oben) heißen sie auch nicht gut
Alle drei Gutachter befinden, dass die derzeitige Situation (Bild unten) keine attraktive Lösung darstellt. Doch das geplante Projekt (Bild oben) heißen sie auch nicht gut

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