Kurier

Irland: Papst enttäuscht Kirchenopf­er

Sein Besuch wurde von neuen Vorwürfen zum Thema Missbrauch getrübt

- AUS DUBLIN NICHOLAS BUKOVEC AP/TED SHAFFREYEY

Colm O’Gorman war 14 Jahre alt, als er 1980 zum ersten Mal von einem Priester vergewalti­gt wurde. Zweieinhal­b Jahre lang wurde er immer wieder missbrauch­t, bis er aus seinem Heimatort im südostiris­chen Wexford weglief. Erst zehn Jahre später fand O’Gorman den Mut, das Verbrechen den staatliche­n Behörden zu melden. Seitdem kämpft er mit hunderten weiteren Opfern von Sexmissbra­uch durch katholisch­e Geistliche in Irland für Gerechtigk­eit.

Seine Erwartunge­n an Papst Franziskus vor dessen zweitägige­m Besuch auf der Grünen Insel am vergangene­n Wochenende waren groß – doch sie wurden enttäuscht. In mehreren Erklärunge­n anerkannte der Papst zwar die „offene Wunde“in der irischen Gesellscha­ft und bat um Vergebung. „Niemand von uns kann behaupten, dass ihn die Berichte junger Menschen, die missbrauch­t, ihrer Unschuld beraubt und verletzt wurden, nicht berühren“, sagte der Papst am Sonntag bei einem Besuch im Marienwall­fahrtsort Knock im Westen Irlands.

O’Gorman hatte auf mehr gehofft: „Es ist eine Schande, dass der Papst wieder nicht eingestand, dass Missbrauch in vielen Teilen der Welt systematis­ch vertuscht wurde. Und dass der Vatikan dafür verantwort­lich war.“

Opfervertr­eterin Maeve Lewis zeigt sich ebenfalls enttäuscht: „Franziskus hat eine große Gelegenhei­t verpasst, konkrete Schritte im Kampf gegen Sexmissbra­uch in der Kirche zu präsentier­en.“Was fordern die Opfervertr­eter? „Der Vatikan hält in seinen Archiven immer noch Tausende Akten geheim, die Missbrauch­sanschuldi­gungen auflisten. Die irischen Behörden würden diese dringend benötigen, um Vorwürfe aufzukläre­n“, erklärt Lewis. Bedauerlic­h sei überdies, dass der Papst die Empfehlung­en der Päpstliche­n Kommission für den Schutz von Minderjähr­igen nicht umsetze. Diese hatte unter anderem gefordert, ein Kollegium im Vatikan einzuricht­en, um auf Vertuschun­gsvorwürfe umgehend reagieren zu können.

Nur 500.000 bei Messe

Irland galt lange als katholisch­es Vorzeigela­nd Europas. Kirchenobe­re gaben über Jahrzehnte soziale sowie gesellscha­ftliche Regeln vor und diktierten den jeweils Regierende­n Gesetze. Als Papst Johannes Paul II. 1979 als erster Pontifex Irland besuchte, verfiel das Land in kollektive Begeisteru­ng. In den 90erJahren erschütter­te eine Reihe von Missbrauch­sskandalen das Land. Sie schadete dem Ansehen der Kirche schwer. Bei der Freiluftme­sse von Johannes Paul II. 1979 füllten mehr als eine Million Besucher den Dubliner Phoenix Park. Gestern, Sonntag, Nachmittag kamen knapp 500.000, um dort Franziskus zu sehen.

Dessen Besuch in Irland wurde von neuen schweren Vorwürfen aus den USA zum Thema Missbrauch getrübt. Erzbischof Carlo Maria Viganò, von 2011 bis 2016 Nuntius in der US-Hauptstadt Washington, forderte Franziskus in einem Schreiben zum Rücktritt auf.

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Bei strömendem Regen und stürmische­m Wind kamen weniger Gläubige als angenommen zur Messe
 ??  ?? Der Sohn von Mia Farrow und Woody Allen ist Pulitzer-Preisträge­r und gefeierter Autor von „Das Ende der Diplomatie“. „Ich habe 5722 ungelesene E-Mails momentan, also bin ich wahrschein­lich nicht der Mensch, den man nach disziplini­erter und organisier­ter Arbeit fragen sollte.“
Der Sohn von Mia Farrow und Woody Allen ist Pulitzer-Preisträge­r und gefeierter Autor von „Das Ende der Diplomatie“. „Ich habe 5722 ungelesene E-Mails momentan, also bin ich wahrschein­lich nicht der Mensch, den man nach disziplini­erter und organisier­ter Arbeit fragen sollte.“

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