Die Ritter der Lüfte
Kampfflieger. Nur elf Jahre vor dem Ersten Weltkrieg war der Menschheit der erste Flug gelungen, ab 1914 wurde die Luft zum Schlachtfeld. Was anfangs als romantisches Abenteuer galt, wurde bald blutiger Ernst
Der Motor knattert, kalter Wind peitscht ins Gesicht, weit unten landen 80.000 britische Soldaten in Belgien an. Die zweite Augustwoche des Jahres 1914 endet, der Erste Weltkrieg ist angelaufen. Der Mann im Cockpit der „Taube“, wie der deutsche Flieger genannt wird, lebt gefährlich: Wird er nicht von feindlichen Kugeln getroffen, bleibt noch das Risiko, wegen eines Materialfehlers abzustürzen. 232 Flugzeuge hatte das Deutsche Reich bei Ausbruch des Krieges, ungefähr 100 verlor es in den ersten Monaten.
Es ist erst elf Jahre her, dass sich überhaupt ein Mensch mit einem Flugapparat in die Lüfte erhoben hat, die Flugzeuge bestehen aus dünnem Sperrholz und wirken, als ob sie jeden Moment entzweibrechen könnten. Trotzdem beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit 100 Kilometer pro Stunde. Ist ein Start gelungen, lauern weitere Gefahren, wie etwa der Übelkeit verursachende Rauch von verbranntem Schmieröl, die Benzindämpfe des Motors können zur Ohnmacht führen.
Wer sich zu jener Zeit in ein Cockpit setzt, gilt von vornherein als Held – als Ritter der Lüfte. Vor dem Piloten taucht ein französisches Flugzeug vom Typ MoraneSaulnier auf. Beide Männer grüßen sich freundlich und f liegen ihrer Wege. Dass sich Piloten gegenseitig bekämpfen, gilt zu diesem Zeitpunkt als unritterlich.
Die Fliegerei ist gefährlich genug, als dass man sich noch zusätzlich am Himmel bekämpfen müsste. Und der Auftrag zu Beginn des Krieges lautet: Auf klärung.
Während sich am Boden die Kavallerie als überholte Waffengattung durchs Gelände plagt, scheinen die Flieger alles sehen zu können. Doch gerade am Anfang trügt der Schein: Truppen, die angeblich gesichtet werden, sind in Wirklichkeit Teerflecken auf der Straße, feindliche Zelte erweisen sich als Schatten von Grabsteinen. Oft übersehen die Luftauf klärer ganze Divisionen.
Ein britischer Pilot notiert: „Überflog eine große Stadt, konnte sie aber auf der Karte nicht finden. Beim Rückweg war ich sicher, dass es Brüssel gewesen sein muss.“Die Qualität ändert sich jedoch schnell: Zur Kommunikation werden Brieftauben und später Funk eingesetzt, mit der rasanten Weiterentwicklung der Kameras ist es den Piloten rasch möglich, Fotos aus 4000 Metern Höhe zu schießen.
Geschossen wird bald auch scharf: Weil die Deutschen von Zeit zu Zeit Granaten bei ihren Auf klärungsflügen abwerfen, gehen die Franzosen in der Luft zum Angriff über: Zuerst noch mit Revolvern und Stahlpfeilen, bereits wenige Monate später mit Maschinengewehren. Am 5. Oktober 1914 schießt ein französischer Obergefreiter zum ersten Mal einen deutschen Flieger mit seinem Hotchkiss-Maschinengewehr ab.
Die Deutschen sind jedoch nach wie vor der Überzeugung, dass „Ausreißen noch immer die beste Verteidigung“sei – tatsächlich können alliierte Piloten nur 50 Schuss feuern, Nachladen ist auf dem schwankenden Flugzeug ein schwieriges Unterfangen. Ebenso das Zielen. Das ändert sich, als der französische Flugpionier Roland Garros es schafft, mit seinem Maschinengewehr durch seinen rotierenden Propeller zu schießen. Die Propeller hatte er mit Ablenkvorrichtungen ausgestattet.
Sein Erfolg ist nicht von langer Dauer: Bei einer Notlandung können die Deutschen sein unversehrtes Flugzeug erbeuten und dadurch das „Unterbrechergetriebe“entwickeln ( mehr dazu links).
Mit dieser Technologie und den Fähigkeiten des niederländischen Konstrukteurs Anton Fokker erringen die Mittelmächte schon bald durch die Fokker-Maschinen die Luftüberlegenheit. Es kommt zur sogenannten FokkerPlage, doch auch die Flugzeuge des Herstellers „Albatros“sind bei den Alliierten gefürchtet.
Zu dieser Zeit kommt ein junger Leutnant zur Luftwaffe: Baron Manfred von Richthofen. Am 17. September 1916 schießt er sein erstes gegnerisches Flugzeug ab – 79 weitere sollen folgen. So viele hatte noch niemand abgeschossen.
Die materielle Überlegenheit der Alliierten und der Eintritt der USA in den Krieg verändern die Verhältnisse in den letzten beiden Kriegsjahren rasant.
Am 21. April 1918 wird Richthofen von alliierten Flugzeugen in Frankreich abgeschossen und stirbt elf Tage vor seinem 26. Geburtstag. Die britische Armee beerdigt ihren Widersacher mit höchsten militärischen Ehren. Auf dem Kranz des britischen Oberkommandos steht: „Unserem ritterlichen und geschätztem Gegner“.