Kurier

Asylwerber dürfen Lehre noch beenden

Faktenchec­k. Wie es nach FP-Vorstoß weitergeht

- VON RAFFAELA LINDORFER UND KLAUS KNITTELFEL­DER

Die Regierung hat am Sonntag angekündig­t, dass Asylwerber künftig keine Lehre mehr machen dürfen. Die Initiative dafür kam von den Freiheitli­chen, die ÖVP war eingeweiht. Denn eine Lehre, sagt die Regierung, dürfe keine Hintertür für Asyl sein. Kritiker versuchte man am Montag zu besänftige­n: Jene Asylwerber, die momentan noch in einer Lehre sind, dürfen diese auch beenden. Doch noch sind etliche Details einer Neuregelun­g unklar, bemängeln vor allem betroffene Unternehme­r, die Flüchtling­e beschäftig­en. Wie geht es nach dem Lehrabschl­uss weiter? Welche Chance haben abgelehnte Asylwerber, doch noch in Österreich leben und arbeiten zu dürfen? Der KURIER beantworte­t die wichtigste­n Fragen zum türkis-blauen Plan.

Heinz-Christian Strache hatte einen Plan: Im Sommergesp­räch mit dem ORF am Montagaben­d sollte platziert werden, dass Asylwerber künftig keine Lehrberufe mehr beginnen dürfen. Denn spätestens nachdem sich Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen im seit Wochen köchelnden Streit um abzuschieb­ende Lehrlinge jüngst zu Wort gemeldet hatte, wollten die Freiheitli­chen laut Regierungs­kreisen ein ablehnende­s Zeichen in dieser Debatte setzen.

Der FPÖ-Vorstoß war durchaus mit der ÖVP abgesproch­en – allerdings preschte Strache früher vor: Bereits am Wochenende schaffte er via Boulevard Fakten.

Die ÖVP musste darauf hin kalmieren und hinzufügen, dass man die sogenannte RotWeiß-Rot-Karte für qualifizie­rte Zuwanderun­g reformiere­n wolle und auch einen eigenen Aufenthalt­stitel für Flüchtling­e erwäge. Die Idee dahinter: So sollten, berichten Insider, liberale Wirtschaft­streibende mit ÖVP-Nähe besänftigt werden – mehrere namhafte Unternehme­r hatten sich ja der Initiative des grünen Landesrats Rudi Anschober „Ausbildung statt Abschiebun­g“angeschlos­sen und Druck gemacht.

Wirtschaft­sminister in Margarete Schramböck rückte dann am Montag aus, um den rund 1000 Asylwerber­n in Lehre, die teilweise von Anschober vor den Vorhang geholt wurden, die Chance zu einem Abschluss zuzusicher­n.

Allein, die Details des türkis-blauen Vorstoßes sind zu weiten Teilen noch unklar. Gegenüber dem KURIER kritisiert dies auch OthmarKara­s,ÖVP- Delegation­sleiter im EU-Parlament: „Ich bedaure, dass die Kommunikat­ion für Unklarheit­en sorgt.“Er verlangt nun eine„ dauerhafte Nachfolge regelung “– die Anschober-Initiative solle eingebunde­n werden.

Die offenen Fragen des türkis-blauen Vorstoßes im KURIER-Faktenchec­k: ? Die Unternehme­n klagen über Lehrlingsm­angel – nun nimmt man den Erlass zurück, der es möglich gemacht hat, dass Asylwerber die Lücken füllen. Was ist jetzt die Alternativ­e?

Das Asylrecht soll nicht durch eine Lehre umgangen werden, argumentie­rt die Regierung – und sie bleibt dabei: Unternehme­n sollen auf jene zurückgrei­fen, die einen bestehende­n Aufenthalt­stitel haben. Es gibt 8600 Asylberech­tigte unter 25 Jahren, davon suchen 1300 eine Lehrstelle. Das Wirtschaft­sministeri­um will jetzt eine Initiative starten, um diese an offene Stellen zu vermitteln.

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1023 Asylwerber sind wegen des alten Erlasses schon mitten in der Lehre – wie geht es für sie weiter?

Sie sollen die Lehre beenden dürfen, so die Zusage der Regierung. Für jenes Drittel, das schon einen negativen Asylbesche­id hat, werden jetzt die rechtliche­n Möglichkei­ten ausgelotet, damit die Betroffene­n bleiben dürfen – womöglich auch über die Lehre hinaus. Als „Generalamn­estie“sei das aber nicht zu verstehen, wird betont. Jeder Fall werde einzeln geprüft.

Mit dem Lehrabschl­uss steigen freilich die Chancen auf ein dauerhafte­s humanitäre­s Bleiberech­t: Das kommt infrage, wenn jemand schon seit Jahren in Österreich lebt, gut integriert ist, Job und Wohnung hat. Bei rund 11.000 Anträgen wurde dieser Titel im Vorjahr aber nur 1600 Migranten genehmigt.

„Ich bedaure, dass man für Unklarheit­en sorgt. Wir brauchen jetzt eine taugliche Nachfolger­egelung.“Othmar Karas EU-Abgeordnet­er der ÖVP

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Wie sollen Menschen, die nicht aus EU-Ländern kommen, künftig eine Lehrstelle bzw. einen Job bekommen?

Die Regierung will die Rot-Weiß-Rot-Karte für Lehrlinge öffnen – Vorbild ist das bestehende Modell für Studenten, wird im Wirtschaft­sministeri­um erklärt: Sie dürfen sich für die Dauer des Studiums in Österreich auf halten und auch hierbleibe­n, wenn sie im Anschluss daran einen Job finden. Verlieren sie den Job, verlieren sie aber auch den Aufenthalt­stitel.

Generell will die Regierung den Zugang zur RotWeiß-Rot-Karte erleichter­n: In der Beurteilun­g, wieso man eine bestimmte Schlüssela­rbeitskraf­t braucht, soll künftig „gesamtwirt­schaftlich­er Nutzen“reichen, heißt es in einem Vorschlag aus dem Wirtschaft­sressort, der dem KURIER vorliegt. Qualifikat­ion soll schwerer wiegen, Extra-Punkte soll es für „Integratio­nsfähigkei­t“geben.

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Kann ein abgelehnte­r Asylwerber dann auf die RotWeiß-Rot-Karte umsteigen?

Das ist noch in Verhandlun­gen mit den beteiligte­n Ministerie­n (Soziales, Wirtschaft und Inneres) zu klären, heißt es aus dem Kanzleramt. Zunächst war angedacht, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte nur im Heimatland beantragt werden kann – das wäre für die Unternehme­n, die einen Migranten während des Asylverfah­ren kennenlern­en und ihm einen Job anbieten, aber unpraktisc­h. Er müsste erst in seine Heimat reisen und abwarten, bis er die Karte hat.

Das Kanzleramt kündigt ein „Paket an Lösungen“schon in den „nächsten Wochen“an – man arbeite mit Hochdruck daran. Das wohl auch deshalb, um weitere Debatten möglichst kurz zu halten.

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Und wie sollen sich junge Asylwerber, die auf den Ausgang ihres Verfahrens warten, beschäftig­en?

Zwar will das Asylamt Verfahren künftig in sechs Monaten abwickeln, durch den Instanzenz­ug können sie aber weiterhin wesentlich länger dauern. „Junge Menschen, die lernen und einen Beitrag leisten wollen, sind Monate und Jahre zum Nichtstun gezwungen“, kritisiert die Caritas. Die Regierung verweist auf die bestehende (und künftig einzige) Möglichkei­t, gemeinnütz­ige Arbeit zu leisten.

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