Kurier

Lehrlinge werden Fall für ein Meisterstü­ck

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Ein paar Hundert Asylwerber sind zum neuen Symbol für den Umgang mit Migranten geworden.

60.000 Unterschri­ften für die Initiative „Ausbildung statt Abschiebun­g“, die Oberösterr­eichs grüner Landesrat Rudi Anschober ins Leben gerufen hat. Ein Promi-Auflauf, der sich dafür starkmacht: Von Ski-Helden wie Hermann Maier bis Marcel Hirscher; von Spitzenunt­ernehmern wie Sparchef-Chef Gerhard Drexel bis Industriel­lenvereini­gungs-Präsident Georg Kapsch. Zudem immer mehr schwergewi­chtige ÖVP-Politiker, die Sympathie dafür bekunden. Zuletzt musste auch der neue Wirtschaft­skammerche­f dem Druck seiner Mitglieder nachgeben. Harald Mahrer hatte die strenge Abschiebep­raxis („Recht muss Recht bleiben“) bis vor Kurzem noch verteidigt. Angesichts des massiven Lehrlings- und Fachkräfte­mangels plädiert nun auch der Kurz-Intimus für „eine Lösung für hoch motivierte Lehrlinge mit guten Deutschken­ntnissen.“

In der Regierung sah man so spätestens mit dem Ausscheren Mahrers Feuer am Dach. Der zunehmende Widerstand gegen eine „Politik ohne Herz und Hirn“(so der Gastro-Unternehme­r und Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn) ließ sich nicht mehr als perfide Aktion der Opposition oder gar von Schwarzen, die Türkis bei jeder Gelegenhei­t ans Zeug flicken wollen, abtun.

Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache nutzen den Polit-Saisonstar­t, um die Causa, die dabei war zum türkis-blauen Streitfall zu werden, vom Kabinettst­isch zu bekommen. Der türkis-blaue Regieplan: Nachdem Kurz den Seinen nicht öffentlich in die Parade fahren wollte, ging der Punkt an Strache. Der FPÖ-Chef forderte Samstag öffentlich ein Aus des Ausnahmere­chts für jugendlich­e Asylwerber, eine Lehre machen zu dürfen. Tags darauf rückte der Regierungs­sprecher aus, um das postwenden­d als gemeinsame­n türkis-blauen Plan zu verkünden.

Abschub oder Verbleib löst Fachkräfte-Not nicht

Damit ist nicht nur der Koalitions­friede wieder gerettet. Für die Betroffene­n wird die demonstrat­ive Vollbremsu­ng aber per Airbag abgefedert: Wer bereits eine Lehre macht, darf diese abschließe­n. Den massiv unter Lehrlingsm­angel leidenden Unternehme­n wird eine dauerhafte Lösung via einer Art Rot-Weiß-Rot-Card für Lehrlinge in Aussicht gestellt. Ob das alles mehr als ein Schnellsch­uss ist, um die Kritiker an beiden Koalitions­fronten zu beruhigen, werden erst die kommenden Monate zeigen.

Denn die paar Hundert Lehrlinge, die demnächst von Abschiebun­g bedroht sein könnten, sind längst zum neuen Symbol für den generellen Umgang mit Migranten geworden. Ihr Verbleib oder Weggang löst den Fachkräfte­mangel, der längst in die Zehntausen­de geht, weder kurz- noch langfristi­g. Ein paar Hundert die Tür zu weisen, könnte aber einmal mehr jene befriedige­n sollen, die mit „Fremden“generell nichts am Hut haben.

Die Causa Lehrlinge wird so bald zeigen, ob wir es hier mit einem weiteren Gesellenst­ück in Sachen billigem Populismus zu tun haben. Oder ob Türkis-Blau die Kraft für ein seit Jahrzehnte­n überfällig­es politische­s Meisterstü­ck hat: Ein modernes und praxisgere­chtes Zuwanderun­gs-Gesetz – ohne xenophobe Untertöne. josef.votzi@kurier.at

@JosefVotzi

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