Kurier

Merkel-Regierung ringt um „Spurwechse­l“bei Asyl

Zuwanderun­gsgesetz. Wer einen Job hat oder in Ausbildung ist, soll bleiben dürfen, finden SPD, Grüne und FDP

- – S. LUMETSBERG­ER, BERLIN

Zuerst sind sie integriert, dann werden Asylwerber wieder ausgeschlo­ssen, verlieren ihren Job und Firmen ihre Mitarbeite­r: Was Arbeitgebe­r in Österreich beklagen, passiert auch in Deutschlan­d.

Ein „Spurwechse­l“vom Asyl- ins Zuwanderun­gsrecht könnte dies ändern: Asylbewerb­er, die abgelehnt bzw. nur geduldet, aber gut integriert sind und zum Stichtag 1. August 2018 in einer Ausbildung sind oder einen Arbeitspla­tz haben, könnten bleiben und einen regulären Aufenthalt­stitel bekommen. Die SPD trommelt seit Wochen für diesen Vorstoß im künftigen Zuwanderun­gsgesetz, Grüne sowie FDP sind ebenfalls dafür.

Auch der Zentralver­band des Deutschen Handwerks spricht sich für den Vorschlag aus, auch in der Hoffnung, dem Fachkräfte­mangel entgegenzu­wirken, wo 150.000 Arbeitskrä­fte fehlen.

In der Union ist man allerdings gespalten: Während die CDU-Ministerpr­äsidenten Daniel Günther (Schleswig- Holstein) und Tobias Hans (Saarland) dies unterstütz­en, will CSU-Innenminis­ter Joachim Herrmann nur bei Pflegeberu­fen eine Ausnahme. Abgelehnte, aber gut integriert­e Asylbewerb­er, die in Bayern eine Pflegeausb­ildung machen, dürfen nun nicht mehr abgeschobe­n werden.

Kanzlerin Merkel lehnt den „Spurwechse­l“gänzlich ab, wie sie im ARD- Sommerinte­rview wissen ließ: Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass ein abgelehnte­r Flüchtling den „Spurwech- sel“Richtung Fachkräfte­mangel vollziehen könne, um zu bleiben: „Nach außen das Signal zu geben, Du kannst kommen, und es wird im Grunde dann nicht mehr unterschie­den, das finde ich nicht richtig.“

Sie verwies auf eine bestehende Regelung: Derzeit können Asylwerber mit einem negativen Bescheid eine mindestens zweijährig­e Ausbildung im Handwerk, in der Industrie oder in einer Berufsfach­schule beginnen. Danach dürfen sie mindes- tens zwei Jahre in Deutschlan­d arbeiten. Allerdings bleibt das Risiko, dass sie dann doch noch abgeschobe­n werden können.

Herbert Brücker, Migrations­experte beim Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung, erklärte kürzlich im Handelsbla­tt, dass derzeit 131.000 Geduldete im erwerbsfäh­igen Alter erfasst sind. Während unter den Geflüchtet­en etwa 23 Prozent einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ung nachgehen, sei der Anteil unter den Geduldeten genauso hoch. Er rechne mit 30.000 Menschen, die für einen Spurwechse­l in Frage kämen.

In der Bevölkerun­g gibt es dafür Verständni­s, wie eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Insa im Auftrag der Bild zeigt: 58 Prozent der Deutschen sind dafür, dass abgelehnte Asylbewerb­er, die einer Arbeit nachgehen, die Chance haben sollten, im Land zu bleiben. Weniger als ein Drittel spricht sich dagegen aus.

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