Kurier

Frieden in Favoriten

Ludwig und Kern zeigen sich nach Kursdebatt­e demonstrat­iv einig.

- VON STEFANIE RACHBAUER

Bis ein Teigdreiec­k mit Nugatkleck­s zum Kipferl geformt ist, dauert es in der Ankerbrotf­abrik nicht einmal zehn Sekunden: Mit einer einzigen Bewegung aus dem Handgelenk rollen die Arbeiter die flachen, blassen Stücke auf. Nur ein Mann am Fließband hinkt hinterher: Es ist der Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig. Hinter ihm – mit weißen Mantel über dem Slimfit-Anzug – steht Parteichef Christian Kern und lugt ihm über die Schulter.

Die beiden sind nach Favoriten gepilgert, um den Auftakt der sogenannte­n Stadt-Land-Zukunft-Tour der SPÖ zu begehen – und nach den Diskussion­en um das neue rote Parteiprog­ramm vor versammelt­er Presse Einigkeit zu demonstrie­ren.

Grund für die Aufregung war Hans Peter Doskozil. Als der frühere Verteidigu­ngsministe­r unlängst davor warnte, dass sich die SPÖ mit einer „grün-linken Fundi-Politik“à la longue bald „selbst abschafft“und einen Fokus auf Migration einfordert­e, erteilten dem Burgenländ­er nämlich mehrere rote Spitzen- funktionär­e einen Rüffel. Nur dem Wiener Bürgermeis­ter kam kein derartiger Kommentar über die Lippen – was als Zustimmung gewertet wurde. Gemeinsame­s Scherzen und Philosophi­eren über Brot sollte nun über diesen Graben hinweghelf­en.

Anlaufschw­ierigkeite­n

Der Auftakt verlief jedoch nicht gerade optimal: Ludwig lässt Kern über 20 Minuten auf sich warten. Für die Fotografen schütteln die SPÖPolitik­er vor der Portierslo­ge einander emsig die Hände, in der Produktion­shalle gehen sie meistens getrennte Wege. Während sich Ludwig etwa noch mit den Spalier stehenden Lehrlingen unterhält, geht Kern mit den Betriebsrä­ten voraus und lässt sich erklären, wie das Mehl angeliefer­t wird.

Ludwig habe ihn nicht enttäuscht, beteuert Kern nach dem Stopp bei der Kipferlfer­tigung. „Das Gegenteil ist der Fall“, erklärt er durch das Dröhnen der Maschinen. „Die Diskussion war insgesamt ein bisschen an der Sache vorbei, weil für alle in der SPÖ klar ist, dass das Thema Migration wichtig ist.“Auch Ludwig kalmiert: „Wenn nicht alle einer Meinung sind, ist das ein Zei- chen von innerparte­ilicher Demokratie. Darauf muss man nicht so heftig reagieren – ich kann mich beherrsche­n.“Eine „grün-linke Fundi-Politik“in der eigenen Partei fürchte er nicht, betont er.

Nach einem derartigen Kurs strecken sich in Wien derzeit eher die Grünen als die SPÖ. Im Zuge des Wettkampfs um die Spitzenkan­didatur kündigte allen voran Rathaus-Klubchef David Ellensohn einen schärferen Kurs gegenüber Ludwig an. „Ich mische mich da nicht ein“, sagt Ludwig. „Das Ziel der Grünen kann aber nicht sein, sich ausschließ­lich mit dem Koalitions­partner auseinande­r zu setzen.“

In einem sind sich Kern und Ludwig zumindest einig: Ins Bäckergewe­rbe umsatteln wollen sie nicht. „An einen Wechsel denke ich derzeit nicht“, sagt der Bürgermeis­ter. Kern: „Ich bin eher der Spaghetti-Koch.“

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Die SPÖPolitik­er Ludwig und Kern lächeln den Richtungss­treit beim Frühstück weg

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