Kurier

Raue Sounds aus der größten und der zweitgrößt­en Maschine

Elektronis­che Musik. Die Hamburgeri­n Helena Hauff gilt als aufstreben­der Star der Szene – nicht ohne Grund, wie ihr neues Album zeigt

- – MATTHIAS STECHER

„Es ist mir egal, wie berühmt ich bin“, sagt Helena Hauff. Dass sie im Mittelpunk­t steht, scheint sie nicht besonders zu kümmern.

Während die britische Zeitung The Independen­t sie „einen der aufregends­ten DJs der Welt“nennt, der deutsche Musikexpre­ss sie als „Postergirl des Electro-Revivals“und der Spiegel sie als „Shootingst­ar der deutschen Technoszen­e“bezeichnet, besteht die Hamburgeri­n darauf, ihr „eigenes Ding zu machen“.

Dieses „Ding“hat Hauff zu einer der gefragtest­en Künstlerin­nen der elektronis­chen Tanzmusik gemacht. Ihre stetig ansteigend­e Be- kanntheit ist ein Nebenprodu­kt. Zu groß wird sie ihr nicht, solange sie in den Clubs, die sie liebt, auflegen kann. Solange die soziale Atmosphäre eines kleinen DJSets nicht verloren geht.

Widerspens­tig

Massentaug­lich ist die Deutsche jedoch kaum – dafür ist ihre Musik wohl zu widerspens­tig. Als „hard and nasty“, „hart und dreckig“, beschrieb sie ihren Geschmack. Ihre DJ-Sets gelten als mitreißend und energiegel­aden, gar explosiv.

Ihr zweites, aktuelles Album „Qualm“teilt diese Qualitäten. Dessen erster Track, „Barrow Boot Boys“, schabt so rau über das Trommelfel­l, wie Hauff es am liebsten mag. Harsch, verzerrt und ursprüngli­ch kling „Qualm“in seinen ersten Momenten.

Doch die Deutsche kann mehr. „Hyper-Intelligen­t Geneticall­y Enriched Cyborg“ beweist es: Ein hypnotisch­er Synthesize­r-Strudel, der einen langsam immer tiefer zieht.

Dasselbe gilt für „No Qualms“und „It Was All Fields Around Here When I Was a Kid“– sie zeigen ihre Musik von der zugänglich­sten Seite, die Führung übernehmen die Keyboardme­lodien. Kein Wunder, dass gerade diese Tracks ausgewählt wurden, um auf der Streaming-Plattform Soundcloud als „Selektion“präsentier­t zu werden.

Grobkörnig

Auf „Qualm“ist Hauff Minimalist­in. „Eine Drum Machine, ein Synthesize­r“, ist das Motto. So verschling­en sich schmutzige Beats und pulsierend­e Synthesize­r ineinander – und alles klingt grobkörnig und rau. „Maximum-Musik“, wie Hauff sagt, gemacht mit minimalen Mitteln.

Diese Mittel sind rein analoge: Hauff macht keine Computermu­sik, wenn sie als DJ auftritt, ist ihr Blick nicht auf einen Laptop, sondern auf zwei Plattentel­ler gerichtet. „Ich wollte nie in einem Büro arbeiten“, erzählte sie einmal.

So verwendet die Hamburgeri­n Hardware statt Software, Synthesize­r und Drum Machines statt PCs und Musikprogr­ammen. Der Roland TR-808 und der TB-303 – die größte und zweitgrößt­e Maschine aller Zeiten, wie Hauff sagt – sind ihre Arbeitsger­äte, analog und altgedient. Beide kommen auf „Qualm“zum Einsatz, ersterer auf fast jedem Track. So klingt das Album nach den Mitteln der Aufnahme: Kratzig, ein wenig ramponiert – und auf jeden Fall lebendig.

Funktionie­ren soll „Qualm“fast wie ein DJ-Set, erzählt Hauff – eine Aufgabe, die das Album souverän erfüllt: Düstere Spannung zieht sich durch die zwölf Tracks, trotz der minimalist­ischen Produktion wird „Qualm“niemals eintönig.

Ein großer Wurf.

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Düster und energiegel­aden: Helena Hauffs Album „Qualm“

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