„Mehr Fantasie bei Betreuung“
Was Familien brauchen. Umfrage zeigt, flexiblere Öffnungszeitungen und Elternschulungen sind gewünscht
Wer ist verantwortlich dafür, dass Kinder gut betreut werden – der Staat oder die Familie? Eltern scheitern oft daran, dass es gar kein Betreuungsangebot gibt oder dass es zu teuer ist. Das Familienbarometer 2018 zeigt eindeutig, was sich die Österreicher wünschen: Familien sollen selbst entscheiden können, ob ihre kleinen Kinder daheim oder außer Haus betreut werden. „Bei der Schule will die Mehrheit nur eine freiwillige Nachmittagsbetreuung“, erklärt der Sozialforscher Paul Unterhuber vom Meinungsforschungsinstitut GfK die Umfrage mit 4000 Befragten.
Für eine echte Wahlmöglichkeit braucht es Hilfe, betont der Präsident des Familienbundes, Bernhard Baier: „Wir haben ein StadtLand-Gefälle bei der Kinderbetreuung. Es muss Geldleistungen für die häusliche Betreuung und Sachleistungen für die Betreuung in Krippen und Kindergärten geben.“
Die Diskussionen um kostenpflichtige Betreuungsplätze haben bei vielen Familien für Verunsicherung gesorgt – wenn die Betreuung zu teuer ist, lohnt es sich für manche Elternteile nicht, arbeiten zu gehen. Bei der Einigung zwischen Bund und Ländern vergangene Woche kam es nicht zu den befürchteten Kürzungen. „Eine Einschränkung würden wir auch nicht akzeptieren und dagegen ankämpfen“, gibt sich Baier (ÖVP) im KURIER-Gespräch kämpferisch.
12-Stunden-Tag
Auf die Frage, wie sich die Betreuung von Kindern mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit zum 12-StundenTag vereinbaren lässt, sagt Baier: „Bei der Kinderbetreuung geht uns es nicht nur um die Anzahl der Plätze, sondern auch um die Zeiten. Es braucht mehr Fantasie, Flexibilität und Eigenverantwortung in der Kinderbetreuung, zum Beispiel könnte man das Angebot der Tagesmütter ausbauen.“Die neuen Arbeitszeiten sieht er nicht nur als Nachteil: „So können sich Eltern die Betreuung vielleicht besser aufteilen.“
Der Bedarf für Kinderbetreuung wurde in der Umfrage nicht abgefragt. Baier sieht die Gemeinden in der Verantwortung, dass Schulen und Kindergärten ihre Zeiten nach den Familien richten. „Diese müssen eine ordentliche Bedarfserhebung machen. Wenn in einem kleinen Ort nur ein oder zwei Familien Ganztagsbetreuung wollen, wird das nicht gehen, aber es braucht bedarfsgerechte Öffnungszeiten für die Familien.“
Die Verantwortung für das Lernen geben die Öster- reicher eindeutig bei der Familie: 80 Prozent sehen sie als erste Bildungseinrichtung. Nur in Wien, so Unterhuber, hat auch der Kindergarten eine höhere Bedeutung.
Der Familienbund-Präsident kritisiert, dass der Fokus bei den sehr jungen Kindern liegt, Eltern aber auch später gefordert sind. „Dafür wäre es gut, wenn man sich Karenzzeit auf heben könnte, zum Beispiel für den Übertritt in die Mittelschule oder eine Krisenphase.“
Elternschulung
Die Herausforderungen bringen viele Eltern an ihre Grenzen – Baier macht einen Vorstoß: „Wir wollen die Eltern ermutigen und befähigen, ihrer Aufgabe besser gerecht zu werden. Elternbildung sollte dafür so wie die medizinische Versorgung in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen werden. In Oberösterreich gibt es etwa einen Bonus für Eltern, die alle Untersuchungen nachweisen.“Laut dem Familienbarometer hält die deutliche Mehrheit verpflichtende Schulungen für Eltern für eine wichtige Idee.
Es sei eine Frage der Finanzierbarkeit, schränkt Baier ein, und berichtet von dem Projekt mit einem Arbeitgeber: „Das Unternehmen wird im Sinne der Familienfreundlichkeit bei der betrieblichen Weiterbildung auch Elternthemen anbieten, etwa Herausforderungen in Schulalltag oder Pubertät.“