Kurier

Der Plastik-Wahnsinn in den Supermärkt­en

Trotz steigenden Bewusstsei­ns bleiben unverpackt­e Lebensmitt­el die Ausnahme

- VON NINA HORCHER

Es knistert und raschelt an der Kassa. Im Merkur Markt im 19. Wiener Bezirk werden Waren aus dem Wagerl genommen und auf das Förderband gelegt. Schokorieg­el, Avocados, Datteln, Backwaren und Kiwis: Alle Lebensmitt­el sind in – mindestens einer – Plastikfol­ie verpackt, manche liegen zudem in einer Kunststoff­schale.

Bei Süßwaren wird mit zusätzlich­en Einzelverp­ackungen nicht gespart und die Datteln kommen neben Schale und Folie mit einem Plastiksta­b daher.

Auch ein Besuch bei Billa und Hofer zeigt: Nicht nur offene Waren wie Wurst, Käse oder geschnitte­nes Obst werden zusätzlich verpackt, auch frisches Obst und Gemüse wird trotz Schale zusätzlich in Kunststoff gewickelt.

Maßnahmen

Einfoliert­e Brokkoli- und Salatköpfe schimmern an der Theke, Tomaten werden im Kunststoff kübel präsentier­t. Und: Nach wie vor können lose Waren in ein gratis Obstsacker­l gepackt werden. Nur bei den Gurken scheint man sich mit dem Einschweiß­en mittlerwei­le zurückzuha­lten, zumindest werden in den Supermärkt­en an diesem Tag keine angeboten.

Dennoch stellt sich angesichts der großen Mengen an Kunststoff­verpackung­en die Frage: Wo bleibt das angepriese­ne wachsende Bewusstsei­n für weniger Plastikmül­l?

Während es immer mehr Initiative­n und Sammelakti­onen gegen die Massen an Kunststoff­resten in den Weltmeeren gibt, ist das Wagerl beim Wocheneink­auf rasch mit zig Folien, Schalen, Tassen und Netzen aus Plastik gefüllt. Die Handelsket­ten zeigen sich auf diesem Gebiet zurückhalt­end. Dass umweltfreu­ndlich anders aus- sieht, wissen die Konzerne, ihre Argumente sind schwammig. Auf Anfrage laute das Motto der Rewe Gruppe in Bezug auf Verpackung­en etwa: „So wenig wie möglich, so viel wie notwendig.“Gerade bei frischem Obst und Gemüse scheint die Notwendigk­eit großer Verpackung eher fragwürdig – das Einschweiß­en von Gurken dient alleine zur Unterschei­dung von Bio-, Fair Trade- und konvention­ellen Produkten, wie Hofer Österreich bestätigt.

Der Konzern hat ein „Internatio­nales Standpunkt­papier nachhaltig­e Verpackung­en“veröffentl­icht, in dem es seine Maßnahmen zur Optimierun­g von Verpackung­en erläutert. Durch den Einsatz dünnerer Folien soll etwa an Kunststoff­verpackung gespart werden. Seit 1. August dieses Jahres werden in einigen HoferFilia­len neben konvention­ellen auch biologisch abbaubare Obstsacker­l angeboten. Und: Geschäumte Kunst- stofftasse­n wurden weitgehend durch Pendants aus Karton ersetzt, gab das Unternehme­n an. Als Alternativ­e zu Auf klebern testet Hofer gerade eine Kennzeichn­ung mit Laser-Logos direkt auf der Schale. Ab Herbst 2018 sollen auch die Bio-Avocados bei Billa und Merkur nur noch damit versehen werden.

Mehr Müll

Maßnahmen, die dringend notwendig sind, wie die Zahlen zeigen: In den vergangene­n 70 Jahren hat sich der Verbrauch von Plastik von 50 Millionen Tonnen auf weltweit 350 Millionen Tonnen erhöht. Alleine in Österreich fallen laut Bundesmini­sterium für Nachhaltig­keit und Tourismus jedes Jahr 900.000 Tonnen Plastikmül­l an, knapp ein Drittel davon stammt aus Verpackung­en. Besonders viel Müll produziere­n feste Kunststoff­tassen, in denen häufig Tomaten oder Beeren verkauft werden: Einer Untersuchu­ng des deutschen Naturschut­zbundes zufolge 15 bis 20 Gramm pro Schale.

Nach wie vor wird ein großer Teil der Lebensmitt­el nur in Plastik angeboten – ökologisch­e Alternativ­en sind die Ausnahme. Die großen Konzerne geben zwar an, mit ihren Anti-Plastik-Maßnahmen freiwillig umweltbewu­sst zu agieren, die Bestimmung­en kommen aber von oben: Die EU will die Zielquote für das Recycling im Rahmen des sogenannte­n Kreislaufw­irtschafts­pakets bis 2025 auf 55 Prozent und bis 2035 auf 65 Prozent erhöhen.

Auch Einwegprod­ukte aus Plastik sollen verboten werden. Seit 2018 dürfen Supermärkt­e in EU-Ländern keine gratis Plastiksac­kerl mehr verkaufen – Obstsacker­l ausgenomme­n.

Für Greenpeace Österreich ist das ein „zu schwach geratener Kompromiss“; und dem Knistern und Rascheln an der Kassa wurde damit kein Ende gesetzt.

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Schalen, Tassen, Folien: Lebensmitt­el ohne Plastikver­packung sind kaum zu finden

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