Kurier

Was sich ändert? „Nichts“

12-Stunden-Tag. Viele Betriebe arbeiten jetzt schon flexibel und warten ab

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Von der Wirtschaft freudig begrüßt, von der Gewerkscha­ft energisch abgelehnt: Seit Samstag gilt das neue Arbeitszei­tgesetz, das eine maximale Höchstarbe­itszeit von 12 Stunden bzw. 60 Stunden pro Woche erlaubt. Die Gewerkscha­ft fürchtet, dass Betriebe rasch beginnen werden, das neue Gesetz umzusetzen, bestehende Verträge anzupassen und Überstunde­nzuschläge zu streichen. Vor allem bei Gleitzeitv­ereinbarun­gen könnte der zuschlagsf­reie Zeitrahmen auf 12 Stunden ausgeweite­t werden – ohne Betriebsra­t.

Und die Betriebe? Denen gehe es eher um die Bewältigun­g von Auftragssp­itzen und nicht so sehr darum, länger arbeiten zu lassen, meint Wirtschaft­skammer-Generalsek­retär Karlheinz Kopf. Ein Rundruf des KURIER ergab, dass viele Unternehme­n ohnehin schon flexibel arbeiten, weil es die Branchen-Kollektivv­erträge ermögliche­n.

Im Einzelhand­el spielt der 12-Stunden-Tag nicht zuletzt wegen der hohen Teilzeitqu­ote eine eher untergeord­nete Rolle. Beim Handelskon­zern Rewe (Billa, Merkur, Penny) freut man sich zwar über mehr Flexibilit­ät in Auftrags- und Arbeitsspi­tzen, „für uns ändert sich dadurch jedoch wenig“, heißt es auf Anfrage. „Wir werden das so handhaben wie auch bisher auf Basis vorhandene­r Betriebsve­reinbarung­en“. Diese würden es schon jetzt erlauben, in Einzelfäll­en die Mitarbeite­r punktuell bis zu 12 Stunden arbeiten zu lassen. Dabei werde auf „Einvernehm­lichkeit und Freiwillig­keit“Wert gelegt.

Industrie ist gelassen

In der Industrie sind 12-Stunden-Tage schon jetzt als Ausnahme und mit Zustimmung des Betriebsra­tes möglich. „Wir sind gar nicht betroffen, haben seit vielen Jahren Betriebsve­reinbarung­en für den 12-Stunden-Tag und Zeitkonten, über die wir das regeln“, bestätigt voestalpin­e- Sprecher Peter Felsbach. Die Voest stehe im internatio­nalen Wettbewerb, die Produktion laufe 24 Stunden sieben Tage die Woche mit mehreren Produktion­sschichten.

Karl Schmiedbau­er, Seniorchef beim Wurstwaren­Erzeuger Wiesbauer, verweist ebenfalls auf eine Betriebsve­reinbarung zum 12Stunden-Tag. „Wir nutzen das saisonal manchmal – etwa zu Weihnachte­n. Aber auch nur in ganz wenigen Abteilunge­n wie der Räucherei.“Mit 1. September ändere sich in seinem Unternehme­n „gar nichts“.

Beim Feuerwehra­usrüster Rosenbauer dürften die längeren Arbeitszei­ten vor allem die Büromitarb­eiter treffen. „Bei unseren Konstrukte­uren, Controller­n und dem Vertriebsi­nnendienst musste bisher die Grenze von maximal zehn Stunden am Tag eingehalte­n werden“, sagt Rosenbauer-Chef Dieter Siegel. Die Mitarbeite­r hätten dann nach zehn Stunden eine eMail bekommen, dass sie nach Hause gehen müssen. Künftig stehe in dem eMail nur noch, dass sie bedenken sollen, dass sie schon zehn Stunden da sind.

F. Peter Mitterbaue­r, Vorstandsv­orsitzende­r des Industriez­ulieferers Miba, sieht viel Polemik und Halbwahrhe­iten rund um den 12Stunden-Tag. „Fakt ist, dass kein genereller 12-StundenTag eingeführt wird. Es wird nur die Möglichkei­t geschaffen, bei Bedarf auch zwölf Stunden zu arbeiten“, sagt Mitterbaue­r. Das schaffe ein Mehr an Flexibilit­ät für beide, Unternehme­n und Arbeitnehm­er. „Als Unternehme­n können wir flexibler auf Saisonspit­zen bei Aufträgen unserer Kunden reagieren.“ Die Arbeitnehm­er seien f lexibler bei der Einteilung von Arbeit und Freizeit. „Für unsere Miba-Mitarbeite­r wird sich neben der erhöhten Flexibilit­ät kaum etwas ändern. Wir haben auch bisher bei Mehrstunde­n das Prinzip der Freiwillig­keit gelebt und werden das auch weiterhin so tun“, sagt Mitterbaue­r.

Friedrich Huemer, Vorstandsv­orsitzende­r des Autozulief­erers Polytec, kritisiert „die falsche Kommunikat­ion der sogenannte­n Arbeitnehm­ervertrete­r, wonach durch den 12-Stunden-Tag Nachteile in Form von Lohnraub beziehungs­weise Gesundheit­sgefährdun­g entstehen“. Das sei unverantwo­rtlich, insbesonde­re vom ehemaligen Bundeskanz­ler, da in den ÖBB der 12-Stunden-Tag schon seit vielen Jahren Standard sei, wofür er als ehemaliger Generaldir­ektor verantwort­lich sei. „Richtig ist vielmehr, dass kein Unternehme­n interessie­rt sein wird, den 12-Stunden-Tag zu forcieren, da dadurch auf jeden Fall Mehrkosten entstehen.“

Nichts Neues am Bau

Die Baubranche verfügt ebenfalls schon länger über flexible Arbeits- und Durchrechn­ungszeiten. „Bei unseren Modellen ändert sich gar nichts“, sagt Porr- Chef Karl- Heinz Strauss. Zusätzlich­e Flexibilit­ät habe für Arbeitnehm­er viele Vorteile. Dass sie etwa am Donnerstag­abend ins Wochenende fahren können. „Beim Betonieren oder Asphaltier­en ist klar, dass die Arbeit fertiggema­cht werden muss.“

Tourismus jubiliert

In der Hotellerie und Gastronomi­e war der Ruf nach mehr Flexibilit­ät besonders groß. Mit der Verkürzung der Ruhezeit bei geteilten Diensten auf acht Stunden kam die Regierung den Betrieben besonders entgegen.

Michaela Reitterer, Inhaberin des Boutiqueho­tel Stadthalle in Wien und Präsidenti­n der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung (ÖHV), kann jetzt besser einteilen. Beim Zimmer- und Frühstücks­service sei ein 12Stunden-Tag von Natur aus kein Thema, in der Rezeption und im Back-Office ihres Stadthotel­s umso mehr. „Bei mir arbeiten viele Pendler, die froh sind, wenn sie künftig ihre Dienste so einteilen können, dass sie an vier statt bisher fünf Tagen arbeiten. Bei den gleichen Wochenstun­den.“Von den 30 Mitarbeite­rn des Hotels wollen zehn diese Möglichkei­t nutzen. „Auch alleinsteh­ende Mütter sind über die zusätzlich­e Flexibilit­ät froh.“

Simone Hoepke, Irmgard Kischko, Christine Klafl, Thomas Pressberge­r, Hermann Sileitsch-Parzer, Anita Staudacher

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