Ein silberner Stachel im roten Fleisch
Formel 1. Lewis Hamilton gewinnt mit Mercedes im Ferrari-Land. Rückschlag für Sebastian Vettel
Es wurde gepfiffen, gebuht und so mancher Zuschauer streckte die Mittelfinger in die Höhe. Doch Lewis Hamilton reagierte nach seinem Sieg in Monza weltmeisterlich. „Was für ein fantastisches Publikum hier!“, rief der Brite beim Interview auf dem Siegerpodest. „Danke an alle Fans, die mich hier unterstützen. Und die paar Menschen, die pfeifen, sind mir ein richtiger Ansporn. Es ist so toll, hier zu fahren. Danke auch an Ferrari. Sie waren ein toller Gegner.“
Mit seinem fünften Sieg im Ferrari-Land baute der Mercedes-Star seine Führung in der WMauf 30 Punkte aus, das ist mehr als ein Rennsieg wert ist (25 Punkte).
Vorentscheidung
Vor allem eine Frage hatte die Fans vor dem Rennen beschäftigt: Darf Kimi Räikkönen gewinnen? Oder muss der Poleposition-Mann seinen Ferrari-Teamkollegen Sebastian Vettel passieren lassen? Die Frage stellte sich nach der zweiten Schikane nicht mehr. Räikkönen blieb vorne, dahinter setzte sich Hamilton durch, es kam zur Berührung mit Vettel, und der Deutsche drehte sich zum Entsetzen der Ferrari-Fans ans Ende des Feldes.
Vettels Glück im Unglück: Das Safety-Car kam raus (da Brendon Hartley eine Startkollision hatte). Vettel wechselte Flügel und Reifen, rollte das Feld von hinten auf und rettete als Vierter am Ende noch zwölf Punkte für die WM-Wertung.
Teamsport
Vorne setzte sich das Duo Räikkönen/Hamilton ab. Auch nach dem einzigen Boxenstopp lag der Finne mit seinem Ferrari vor dem Mercedes-Mann. Doch dann zeigte sich wieder, weshalb auch die Formel 1 ein Teamsport ist. Valtteri Bottas, der noch nicht an der Box war, blieb mit alten Reifen lang draußen, um Räikkönen aufzuhalten. Tatsächlich kam Hamilton immer näher und konnte den Finnen acht Runden vor Schluss überholen. Räikkönen konnte nicht mehr zuset- zen und wurde Zweiter, Valtteri Bottas bekam nach einer Zeitstrafe gegen Verstappen Rang drei zugesprochen.
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sprach von einem glücklichen Rennverlauf: „Der Unfall war Racing, und diesmal haben wir davon profitiert. Der Dreher von Sebastian hat ihn natürlich sehr zurückgeworfen. Denn Sebastian war mit seinem Ferrari wahrscheinlich der Schnellste auf der Strecke.“Von einer Vorentscheidung in der WM will der Wiener nichts wissen: „Beruhigt sind wir noch nicht. Es sind noch sieben Mal 25 Punkte zu vergeben. Im Moment ist der Ferrari das schnellere Auto.“
Iceman Kimi Räikkönen wurde gefeiert, konnte sich über seinen zweiten Platz aber gar nicht freuen: „Das ist enttäuschend, denn eigentlich war mein Auto richtig schnell. Aber ich habe nichts mehr tun können, mein linker Hinterreifen war am Ende“, sagte der 38-Jährige. „Das ist sehr schade. Aber vielleicht klappt es das nächste Mal.“
Abschied?
Ob es ein nächstes Mal geben wird, ist aber fraglich. Die Gerüchte verdichten sich, dass Räikkönen sein Cockpit am Ende der Saison für den Monegassen Charles Leclerc (20) räumen muss. Dies soll noch ein Wunsch des kürzlich verstorbenen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne gewesen sein. Und nach dem gestrigen Rennen scheint ein neuer Vertrag für Räikkönen noch unwahrscheinlicher.
Dem Formel-1-Tross steht nun eine weite Reise bevor. In zwei Wochen geht es im schwül-heißen Singapur weiter. Auf einem Stadtkurs, der Mercedes so gar nicht liegt. Toto Wolff: „In Singapur müssen wir Schadensbegrenzung betreiben.“