„Regeln können nicht durch Emotionen ersetzt werden“
Bundestag. Debatte über Migration und Maaßen
Wer sich auf eine Debatte zu Zahlen und Etats der Ministerien freute, wurde von Alexander Gauland gleich am Anfang enttäuscht. Der AfD-Chef wollte bei der Haushaltsdebatte über sein Lieblingsthema sprechen: Flüchtlinge. Er warf der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vor, die „friedlichen Demonstrationen“in Chemnitz mit dem Begriff „Zusammenrottung“gebrandmarkt zu haben. Und goss weiter Öl ins Feuer: „Die Wahrheit ist, in Chemnitz hat es keine Menschenjagden gegeben.“Zur Erinnerung: Nach dem Tod eines Deutschen ist es in der sächsischen Stadt zu Angriffen auf Ausländer gekommen, wie Videos und Augenzeugenberichte belegen.
Darüber wird gestritten. Zuerst äußerte Sachsens Landeschef Kretschmer Zweifel an „Hetzjagden“, dann Innenminister Seehofer. Dass sich Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen einmischte und Zweifel an einem Beweis-Video äußerte, brachte eine neue Dimension in den Streit. Er musste sich gestern den Bundestagsgremien stellen. Danach sahen Union (auch Horst Seehofer) und die FDP Maaßen entlastet, die SPD hat weiterhin Zweifel.
Seine Aussagen zwangen dem Land eine Debatte auf, die aus Merkels Perspektive wenig zum Zusammenhalt der Gesellschaft beiträgt, wie sie mit Blick auf Maaßen erklärte: „Begriff liche Auseinandersetzungen, ob es jetzt Hetze oder Hetzjagd ist, helfen uns wirklich nicht weiter.“
Ex-SPD-Chef Martin Schulz wurde nach Gaulands Rede wütend und warf diesem faschistische Strategie vor: Gauland reduziere komplexe Sachverhalte auf ein einziges Thema, bezogen auf die Minderheit der Migranten. Zu Gaulands Vogelschiss-Sager („Der Nationalsozialismus war nur ein Vogelschiss der Geschichte“) meinte er: „Die Menge von Vogelmist ist ein Misthaufen, auf den gehören Sie, in der deutschen Geschichte“. Applaus setzte ein.
Bei so viel Knistern, wirkte die Rede Merkels wie eine kalte Dusche: Sie teile die Empörung über den Tod eines Menschen, doch dies könne keine Entschuldigung für „menschenverachtende Demonstrationen“sein. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zitierte sie Artikel 1 des Grundgesetzes. In Deutschland gelten Regeln – „und diese können nicht durch Emotionen ersetzt werden. Das ist das Wesen des Rechtsstaates.“Prinzipiell meinte sie, Probleme könnten nur europäisch gelöst werden. „Wenn Europa sagt, wir schotten uns ab, kümmern uns nicht darum, was in der Nachbarschaft passiert, wird das schiefgehen.“