Die Welt taumelt im Walzerschritt in den Krieg
Die Csárdásfürstin. Zur Premiere in der Volksoper
Keine andere Operette ist unter solch dramatischen Umständen entstanden wie diese: Als Emmerich Kálmán mit der Arbeit an der „Csárdásfürstin“begann, herrschte tiefster Friede. Als sein Meisterwerk dann zur Uraufführung gelangte, war Europa in den Ersten Weltkrieg getaumelt. Am Sonntag feiert die Neuinszenierung eines der erfolgreichsten Werke der leichten Muse an der Wiener Volksoper Premiere.
Es war im Mai 1914, als die Autoren Leo Stein und Béla Jenbach dem Komponisten Kálmán den fertigen Text des ersten Akts der Operette überreichten. Kálmán begab sich nach Marienbad, um die Musik zu schreiben. Am 28. Juni erhielt er die Nachricht von der Ermordung des Thronfolgerpaares, einen Monat später vom Ausbruch des Krieges.
Alle Theater geschlossen
Nun war alles anders. Man wusste nicht einmal, ob es zur Uraufführung kommen würde, da Wiens Theater kriegsbedingt geschlossen waren. Kálmán und seine Librettisten schrieben dennoch weiter. Und so entstanden Mitten im Weltkrieg einige der populärsten Melodien der Operettengeschichte: „ Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“, Die Mädis vom Chantant“, „Tanzen möcht ich“, „Nimm Zigeuner, deine Geige“, „Das ist die Liebe, die dumme Liebe“...
Die Ohrwürmer klangen nach tiefstem Frieden, Handlung und Liedertexte mussten jedoch adaptiert werden. In der Operette geht’s um eine Chansonsängerin, die sich in einen Fürstensohn verliebt, dessen Eltern sie wegen des Standesunterschiedes ableh- nen. Die unglücklich verliebte Sängerin heißt Sylvia Varescu und sollte Rumänin sein. Das war den Librettisten offenbar zu riskant, sie hatten aber – auch wenn zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien noch Frieden herrschte – das richtige Gspür: Ein Jahr später war Rumänien aufseiten der Kriegsgegner, also wurde Sylvia Ungarin (wobei man übersah, dass der Name Rumänisch blieb).
Mag die Welt versinken
Die Uraufführung im Wiener Johann-Strauß-Theater fand am 17. November 1915 statt. „Die Csárdásfürstin“wurde zu einem der größten Kassenschlager der Operettengeschichte, und das Publikum jubelte – auch weil es makabre Walzerklänge wie „Mag die ganze Welt versinken“sehr wohl verstand. Es folgten 533 ausverkaufte Vorstellungen, weitere in London, Paris, Berlin und New York. Da sich die USA mit Österreich-Ungarn im Krieg befand, wurde die Handlung in den BroadwayVorstellungen von Budapest nach Monte Carlo verlegt!
In Wien wurde die „Csárdásfürstin“zum Abgesang der Monarchie, da sich in der Musik Leichtsinn und Schwermut auf einzigartige Weise vereinen. Dass die alte Weltordnung ihrem Untergang entgegensah, prophezeiten die Librettisten auch treffend in einem der gängigsten Kálmán-Lieder: „ Jaj, Maman Bruderherz, ich kauf mir die Welt, Jaj, Mamam, was liegt mir am Geld. Weißt du wie lange noch der Globus sich dreht, ob es morgen nicht schon zu spät!“
georg.markus@kurier.at