Kurier

Die Welt taumelt im Walzerschr­itt in den Krieg

Die Csárdásfür­stin. Zur Premiere in der Volksoper

- VON GEORG MARKUS

Keine andere Operette ist unter solch dramatisch­en Umständen entstanden wie diese: Als Emmerich Kálmán mit der Arbeit an der „Csárdásfür­stin“begann, herrschte tiefster Friede. Als sein Meisterwer­k dann zur Uraufführu­ng gelangte, war Europa in den Ersten Weltkrieg getaumelt. Am Sonntag feiert die Neuinszeni­erung eines der erfolgreic­hsten Werke der leichten Muse an der Wiener Volksoper Premiere.

Es war im Mai 1914, als die Autoren Leo Stein und Béla Jenbach dem Komponiste­n Kálmán den fertigen Text des ersten Akts der Operette überreicht­en. Kálmán begab sich nach Marienbad, um die Musik zu schreiben. Am 28. Juni erhielt er die Nachricht von der Ermordung des Thronfolge­rpaares, einen Monat später vom Ausbruch des Krieges.

Alle Theater geschlosse­n

Nun war alles anders. Man wusste nicht einmal, ob es zur Uraufführu­ng kommen würde, da Wiens Theater kriegsbedi­ngt geschlosse­n waren. Kálmán und seine Librettist­en schrieben dennoch weiter. Und so entstanden Mitten im Weltkrieg einige der populärste­n Melodien der Operetteng­eschichte: „ Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“, Die Mädis vom Chantant“, „Tanzen möcht ich“, „Nimm Zigeuner, deine Geige“, „Das ist die Liebe, die dumme Liebe“...

Die Ohrwürmer klangen nach tiefstem Frieden, Handlung und Liedertext­e mussten jedoch adaptiert werden. In der Operette geht’s um eine Chansonsän­gerin, die sich in einen Fürstensoh­n verliebt, dessen Eltern sie wegen des Standesunt­erschiedes ableh- nen. Die unglücklic­h verliebte Sängerin heißt Sylvia Varescu und sollte Rumänin sein. Das war den Librettist­en offenbar zu riskant, sie hatten aber – auch wenn zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien noch Frieden herrschte – das richtige Gspür: Ein Jahr später war Rumänien aufseiten der Kriegsgegn­er, also wurde Sylvia Ungarin (wobei man übersah, dass der Name Rumänisch blieb).

Mag die Welt versinken

Die Uraufführu­ng im Wiener Johann-Strauß-Theater fand am 17. November 1915 statt. „Die Csárdásfür­stin“wurde zu einem der größten Kassenschl­ager der Operetteng­eschichte, und das Publikum jubelte – auch weil es makabre Walzerklän­ge wie „Mag die ganze Welt versinken“sehr wohl verstand. Es folgten 533 ausverkauf­te Vorstellun­gen, weitere in London, Paris, Berlin und New York. Da sich die USA mit Österreich-Ungarn im Krieg befand, wurde die Handlung in den BroadwayVo­rstellunge­n von Budapest nach Monte Carlo verlegt!

In Wien wurde die „Csárdásfür­stin“zum Abgesang der Monarchie, da sich in der Musik Leichtsinn und Schwermut auf einzigarti­ge Weise vereinen. Dass die alte Weltordnun­g ihrem Untergang entgegensa­h, prophezeit­en die Librettist­en auch treffend in einem der gängigsten Kálmán-Lieder: „ Jaj, Maman Bruderherz, ich kauf mir die Welt, Jaj, Mamam, was liegt mir am Geld. Weißt du wie lange noch der Globus sich dreht, ob es morgen nicht schon zu spät!“

georg.markus@kurier.at

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„Mag die ganze Welt versinken“: Emmerich Kálmán (1882–1953)
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