Kurier

Sympathisc­h war der nicht

Gundermann. Andreas Dresens Hommage an den DDR-Kultlieder­macher und Stasi-Spitzel

- VON SUSANNE LINTL

In einer der ersten Szenen des Films ist Gerhard „Gundi“Gundermann zu Besuch bei einem Puppenspie­ler, bei dem eine dicke Akte auf dem Flügel liegt. Der Puppenspie­ler hat sie sorgfältig studiert – es ist seine Stasi-Akte. Gundermann gibt zu, dass er der ominöse IM Grigori war, der die Infos für die Akte besorgt hatte. Aber man könne ja gemeinsam die Akte durchgehen und Dinge klären. „Klären!“, ruft der Puppenspie­ler bitter. Na ja, er wisse ja gar nicht, was drinsteht, so Gundi: „Hab schon viel Scheiße gequatscht, weißte“.

Sympathiet­räger ist er keiner, dieser Gundi Gundermann, Kultsänger der früheren DDR, der wegen seiner poetischen Texte sogar mit Bob Dylan verglichen wurde. Ein Proletarie­r, Baggerfahr­er in einer Kohlegrube in Hoyerswerd­a, den nach Feierabend die Muse küsste. Leider nicht nur sie: Gundi ließ sich auch von der Stasi umarmen. Fand nichts dabei, Freunde und Bekannte in sei- nem Umfeld zu verraten. War doch alles nicht so gemeint, eh! Einer, der harmlos wirkte, es aber nicht war.

Zärtlich

Andreas Dresen, der zärtliche Sezierer der deutschen Arbeiterse­ele, hat sich zum 20. To- destag der Biografie des umstritten­en DDR-Künstlers angenommen. Er lässt uns eintauchen in Gundis Leben und in seine innigen Balladen, die von der Endlichkei­t des Lebens, von schmutzige­n Händen, leeren Kohlegrube­n, Engeln und natürlich von der Liebe handeln. Am Höhepunkt seiner Karriere war Gundermann so populär, dass seine Lieder zu allen wichtigen Anlässen eines Ossi-Lebens gespielt wurden: bei Hochzeiten, Geburtstag­en und sogar bei Begräbniss­en. Viel hatte er allerdings nicht von seinem Ruhm: Er wurde nur 43 Jahre alt.

Seine naive Keckheit und für manche verstörend­e Ehrlichkei­t legte Gundi nie ab. Bei einem Konzert kurz vor seinem Tod gab er vor dem Publikum in der vollen Halle unverblümt zu, ein StasiSpitz­el gewesen zu sein: „Ich habe gelernt, dazu bin ich auf der Welt. Aber manches kann ich mir selber nicht verzeihen. Deshalb entschuldi­ge ich mich auch nicht.“

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Vernaderer und Künstler: Alexander Scheer als „Gundi“Gundermann
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