Kurier

Nicholas Ofczarek, Schauspiel­er

Burgtheate­r. Bastian Kraft gelang eine beeindruck­ende Bühnenfass­ung von „Mephisto“

- VON GUIDO TARTAROTTI

Großer Jubel nach der Premiere von „Mephisto“im Burgtheate­r: Ofczarek spielt einen von Angst zerfressen­en Nazi-Günstling.

Es beginnt mit Klaus Mann (Darsteller Fabian Krüger schaut interessan­terweise aus wie Klaus’ Vater Thomas Mann), der sich an seine Schreibmas­chine setzt und den Titel tippt: „Mephisto“.

Und spätestens jetzt ist eine Korrektur notwendig: „Mephisto“, mit dem die Burg die Saison im Haupthaus eröffnete, ist NICHT die Dramatisie­rung des Romans – sondern die Dramatisie­rung der Entstehung dieses Romans.

Fiktion?

Das kann ein wenig verwirren. Bekanntlic­h ließ sich Klaus Mann für sein Buch vom Leben seines ehemaligen Freundes Gustaf Gründgens inspiriere­n (der unter den Nazis Karriere machte), aber eben nur inspiriere­n. Sein Roman ist Fiktion.

In der Inszenieru­ng von Bastian Kraft, der auch die Textfassun­g schrieb, wechseln die Figuren ständig zwischen Fiktion und realem Vorbild – oder, besser gesagt, liegen irgendwo dazwischen. So heißt Gründgens in der Burg, wie im Buch, Hendrik Höfgen, ist aber homosexuel­l (im Buch zieht es ihn zu einer schwarzen Domina).

Und es gibt eine zusätzlich­e Figur, die Sebastian heißt (also ähnlich wie der Regisseur/Autor des Abends), aber eindeutig als Klaus Mann zu identifizi­eren ist, der als Erzähler fungiert und sowohl seiner Schwester Barbara (erkennbar als Erika Mann, Klaus’ Schwester), als auch Höfgen/Gründgens erotisch verbunden ist. Teil 1 des Abends (die wilden Zwanzigerj­ahre) wird als Revue gezeigt, Teil 2 (die Nazis haben die Macht übernommen) als strenge Dominanz-Inszenieru­ng (Hendrik Höfgen wird in ein Sexsklaven-Outfit gezwängt). Der Abend ist – auch – eine klassische Burg-Materialsc­hlacht: Das Bühnenbild (Peter Baur) wird von einem gigantisch­en Lauf band dominiert, auf dem sich Höfgen nach oben kämpft – dem Abgrund entgegen. Dazu gibt es vier riesige Drehwände, die einmal Projektion­sf läche für Live-Filme sind, dann wieder Spiegel, dann Schattensp­iel erzeugen. Eine Schlagwerk­erin (Judith Schwarz) kommentier­t mit sehr suggestive­r Musik die Handlung.

Zweifel

Nicholas Ofczarek ist ein fantastisc­her Höfgen, er zeigt ihn nicht als kühlen Karrierist­en, sondern als von Angst zerfressen­en Menschen, der sich zwar den Nazis unterwirft, aber dennoch den Mut findet, bedrohten Freunden zu helfen. Am Ende ist einem diese tragische Figur sogar sympathisc­h.

Fabian Krüger als Sebastian/Klaus Mann steht ihm um nichts nach, seine Darstellun­g eines zweifelnde­n, drogensüch­tigen, mit sich ringenden Schriftste­llers ist stark. Immer wieder versucht er, in die Handlung einzugreif­en, aber seine Figuren wollen nicht auf ihn hören.

Ganz, ganz stark ist Martin Reinke als „Ministerpr­äsident“(Hermann Göring) – er liefert eine Sprachstud­ie ab und zeigt die herrische, aber schon von Selbstekel gezeichnet­e Sprache der Nazi-Bonzen. Ebenfalls stark: Dörte Lyssewski als Barbara, Sabine Haupt als Nicoletta von

Niebuhr und Sylvie

Rohrer als (sehr gut) singende Dora Martin. Im Ensemble gibt es keine Schwachste­llen: Petra Morzé als „deutsche Schauspiel­erin“Lotte Lindenthal, Peter Knaack als idealistis­cher Kommunist, Simon Jensen als Strichjung­e, Martin Vischer als enttäuscht­er Jungnazi ...

Keine Partei

Bastian Kraft hat einen mit fast dreieinhal­b Stunden Dauer zu langen, aber beeindruck­enden Theaterabe­nd abgeliefer­t, der hohe suggestive Kraft entwickelt und für niemanden Partei ergreift. Damit nimmt er dem Publikum die Möglichkei­t, sich zu distanzier­en.

Großer Jubel, vor allem für Ofczarek.

KURIER-Wertung:

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Hinreißend: Nicholas Ofczarek in der Burg in der Rolle des Hendrik Höfgen
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