Kurier

Sturm im Wasserglas

Wirte servieren immer mehr Leitungswa­sser. Zahlen wollen die Kunden dafür nicht

- JUERG CHRISTANDL

Lokale. Leitungswa­sser wird immer häufiger bestellt. Im Café Landtmann sind es täglich 1000 Gläser. Zahlen wollen die Kunden dafür nicht.

Regelmäßig im Wiener Café Frauenhube­r: Eine Kundschaft bestellt einen kleinen Braunen, dazu „ein großes Glas Leitungswa­sser. Am besten ein halber Liter, bitte.“Darauf der Kellner, das bringe er gerne, aber: „Der halbe Liter kostet bei uns 1,60 €. Ein kleines Glas ser

vieren wir kostenlos dazu.“– „Frechheit!“, erwidern die Gäste sehr oft, begnügen sich mit dem Glas und trinken das nicht immer aus.

Es ist eine Diskussion, die in den kommenden Jahren häufiger werden dürfte. Nicht nur, weil im Zuge der EU-weiten Trinkwasse­rRichtlini­e (siehe rechts) das Thema um kostenlose Bereitstel­lung von Wasser wieder aufgepoppt ist. Sondern auch, weil die Bestellung von Leitungswa­sser laut Gastronome­n zunimmt.

Warum das so ist? „Es hat einen Mentalität­swechsel gegeben“, meint Wolfgang Binder, Chef des Café Frauenhube­r und Obmann der Kaffeehäus­er in der Wirtschaft­skammer Wien. Früher gab es das Glas Wasser zum Kaffee – und aus. Heute würden Gäste ein Getränk bestellen und sich danach berechtigt fühlen, nur mehr Wasser zu trinken, meint auch Berndt Querfeld, Chef des Café Landtmann. Vielleicht hätten die Werbesloga­ns à la „Geiz ist geil“dazu beigetrage­n. Sparen sei jedenfalls in Mode – zumindest für die eigene Börse: „Sobald jemand anderer zahlt, etwa bei Veranstalt­un- gen, bestellt kaum jemand Leitungswa­sser.“

Weil die Leitungswa­sserBestel­lungen zunehmen, würden laut Wolfgang Binder immer mehr Gastronome­n, Geld für einen Krug Wasser verlangen wollen. Viele würden sich aber nicht trauen: „Weil das Thema so unglaublic­h emotional ist“.

Aufwand

„Kostenlose­s Wasser muss einfach drin sein“, spricht Gabriele Zgubic, Konsumente­nschützeri­n der Arbeiterka­mmer Wien aus, was viele Österreich­er denken. Wasser rinnt schließlic­h fast kostenlos aus der Leitung – es kostenlos an die Kunden weiterzuge­ben sollte selbstvers­tändlich sein, findet Zgubic. So groß kön- ne der Aufwand nicht sein. Das wollen die Gastronome­n so nicht stehen lassen: Wasser sei ja nur vermeintli­ch gratis, meint Binder und zählt auf: Abwasserko­sten, Stromverbr­auch, Geschirrsp­üler (10 bis 13 Liter pro Waschgang). Ja, ein Glas falle nicht ins Gewicht. Aber: „Im Jahr 2014 haben wir 10.120 Gläser serviert“, sagt Binder. „Das keinen Aufwand zu nennen, ist eine Geringschä­tzung des Kellners.“

Auch Berndt Querfeld weist darauf hin, dass Wasser das am häufigsten servierte Produkt sei. Täglich bringen seine Mitarbeite­r 1000 Wassergläs­er zu Kaffee, Wein und Eisbecher. Für den

0,5 l-Krug verlangt er 2,50 €. Denn: „Wir sind nun einmal kein Ge- tränkehand­el.“Man sei ein Dienstleis­tungsbetri­eb. „Und wie meinte die UNESCO nicht einmal: Die Kaffeehäus­er sind ein Ort, ,in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht.’“Genau hier liege die Krux, meint Tourismus- und Freizeitfo­rscher Peter Zellmann: „Dienstleis­tung wird nicht als Leistung gesehen. Wir sehen das ja auch immer öfter im Handel oder im Reisebüro. Die Kunden wollen sich gratis beraten lassen und kaufen das Produkt dann lieber günstiger online.“Dabei sei Zeit die wichtigste Ressource der Dienstleis­tungsgesel­lschaft. „Wenn mir jemand Zeit schenkt, kostet das etwas.“

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 ??  ?? Das Café Landtmann an der Wiener Ringstraße serviert täglich 1000 Gläser Wasser – zu Kaffee und Kakao, Wein und Eisbechern
Das Café Landtmann an der Wiener Ringstraße serviert täglich 1000 Gläser Wasser – zu Kaffee und Kakao, Wein und Eisbechern

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