Kurier

„Einen alltäglich­en Konflikt kann man nicht mit Schubert lösen“

Benjamin Schmid. Der österreich­ische Violinvirt­uose ist einer der Gefragtest­en seines Metiers.

- VON SUSANNE ZOBL

Jüngst wurde er 50, seine Geige, eine Stradivari, wird 300 Jahre alt. Das Mozarteum in Salzburg eröffnete mit ihm die Saison, Servus TV übertrug live. Seine Aufnahmen erscheinen bei Oehms Classic in einer Gesamtausg­abe.

KURIER: Von Dirigenten sagt man, dass sie ab dem 50. Lebensjahr immer besser werden. Wie ist das mit Geigern? Benjamin Schmid: Geige spielen ist viel zu schwer, um das im hohen Alter noch zu praktizier­en. Aber zwei Jahrzehnte habe ich schon noch vor mir, wo ich richtig gut spielen kann. Und ich spiele heute so gern wie nie zuvor. Es gibt aber einen Unterschie­d zu früher. Vor 20 Jahren gab es noch keinen Horizont, wo sich ein Ende abzeichnet­e. Den gibt es jetzt.

Sie feiern nicht nur Ihren Geburtstag, sondern auch den Ihrer Violine. Das Instrument ist 300 Jahre alt. Immer wieder werden Geigen gestohlen. Haben Sie nicht ständig Angst, wenn sie mit ihr unterwegs sind?

Es wäre keine Lösung, diese Instrument­e in einen Schrank zu sperren und nur anzustarre­n. Sie sind dazu da, um zu klingen. Und gestohlene Instrument­e könnte man überhaupt nicht verkaufen, weil sie registrier­t sind. Aber wie groß die Belastung ist, so ein Instrument mitzuführe­n, wird einem erst bewusst, wenn man ohne dieses Stück reist. Denn die Sorge darum führt man immer mit.

Sie sagten einmal, Sie würden bei jedem Auftritt tausend Tode sterben. Hat sich das geändert?

Auf die Bühne zu gehen, ist immer ein Gang zum Schafott. Auch, wenn man ein Stück schon 100 Mal gespielt hat. Denn dann will man dabei an seine persönlich­en Grenzen gehen. In der Musik soll ja etwas Großartige­s passieren, aber das bedarf unseres ganzen Einsatzes, physisch und mental.

Woran denken Sie bei Ihren Auftritten?

Das Wichtigste ist, sich zu fragen, ob wir alle bereit für das Besondere sind.

Was aber, wenn das Besondere ausbleibt?

Das gibt es auch. Profession­elle Musiker verlassen sich dann auf ein Sicherheit­snetz, das heißt auf das Wissen, dass man ein gewisses Niveau nie unterschre­itet.

Man kann Musik überall jederzeit über Online-Streaming erleben. Braucht man überhaupt noch Konzerte?

Da wir Musik jederzeit zur Verfügung haben, wird das Live-Erlebnis immer mehr geschätzt, vielleicht sogar noch mehr als früher, weil wir alle gemeinsam eine musikalisc­he Gegenwart erleben wollen.

Sie spielen immer wieder Raritäten ein. Sehen Sie sich als Anwalt vergessene­r Komponiste­n?

Bei Ermanno Wolf-Ferrari ja. Ähnlich bei Erich Wolfgang Korngold. Ich war der erste, der sein Vio- linkonzert mit den Wiener Philharmon­ikern gespielt hat. Heute ist es das gefragtest­e Konzert im Schott Verlag. Ein paar solche Missionen würde ich noch gern schaffen. Etwa Weinbergs Violinkonz­ert.

Sie sind mit der Pianistin Ariane Haering verheirate­t. Stimmt es, dass jedes ihrer Kinder zwei Instrument­e spielt? Ariane Haering kommt zum Gespräch hinzu: Alle Kinder spielen zwei Instrument­e. Cello, Geige, Flöte, Schlagzeug, Klavier, unsere Große singt sogar.

Schmid: Ein Leben ohne Musik ist in unserem Haushalt nicht vorstellba­r. Aber wir setzen nicht voraus, dass unsere Kinder Musiker werden sollen. Das müssen sie selber entscheide­n. Ist eine Musikerehe nicht oft schwierig? Haering: Die Leidenscha­ft für Musik zu teilen, ist ein Balanceakt, weil wir auch Partner für die kleinen und großen Probleme im Leben bleiben müssen. Aber dieses Grundverst­ändnis hat unsere Karrieren ermöglicht.

Kritisiere­n Sie einander auch? Schmid: Wenn wir zusammen arbeiten, kritisiere­n wir einander sicher härter als andere musikalisc­he Partner.

Kann man einen Ehestreit durch gemeinsame­s Musizieren lösen? Schmid: Musizieren hilft über Krisen hinweg. Aber einen alltäglich­en Konflikt kann man nicht mit Schubert lösen.

 ??  ?? Benjamin Schmid (50) und seine Geige (300)
Benjamin Schmid (50) und seine Geige (300)

Newspapers in German

Newspapers from Austria