Frauenpower und Fantasyroutine
Emmys. Das TV-Angebot ist so umfangreich wie nie zuvor. Warum trotzdem wieder „Game of Thrones“gewann
TV-Preise: R. Brosnahan („Mrs. Maisel“, Bild) im Schatten von „Game Of Thrones“
Die Emmys könnten die Oscars von heute sein: Immerhin zeichnen sie die besten US-Fernseh-Angebote aus, jene popkulturelle Form also, die zuletzt einen unvergleichlichen Hype erlebt hat. Hochwertige TV-Serien sind zur aktuell prominentesten Sparte geworden, sie bestimmen die Bilder und die Kulturkonversation: Unfallfrei über die Herrscher und Drachen von „Game Of Thrones“, die drogendurchtränkten Details von „Breaking Bad“oder die Historie des britischen Königshauses („The Crown“) reden zu können, ist Inbegriff der AuskennerSelbstdarstellung.
Dementsprechend reichhaltig, ja, überbordend ist das aktuelle Serienangebot: Netf lix, Amazon, HBO und andere stecken viele Milliarden Dollar in die Produktion von Fernsehprogrammen.
Die Emmy-Verleihung in der Nacht auf Dienstag hat daher umso mehr erstaunt: Denn in der prominentesten Kategorie, der besten DramaSerie, gewann – schon wieder, zum dritten Mal – „Game Of Thrones“.
Eine Serie, deren letzte neue Folge vor über einem Jahr auf Sendung ging. Noch dazu war das bereits die siebente Staffel der Drachen-, Sex- und Machtkampf-Fantasyserie. Und diese räumte insgesamt nun neun Preise ab.
Diese Auszeichnungshäufung für die in die Jahre
gekommene HBO-( also Kabel-TV-)Serie lässt erahnen, dass die erste Phase des Streamingbooms vorbei ist. Groß geworden ist das Fernsehen aus dem Internet mit großen Erzählungen, Riesenbudgets und dem sogenannten BingeWatching, also der Bereitschaft der Seher, viele, viele Stunden in einzelne Charaktere zu investieren.
Da aber am Ball zu bleiben, hat sich mittlerweile zu einer echten Herausforderung ausgewachsen. Auf 55 Stunden summiert sich „Game of Thrones“inzwischen. Wenn man die fast 500 weiteren gescripteten Serien im US-Fernsehen dazunimmt, ist die Seher-Überforderung spürbar.
Wer soll sich das alles anschauen? Und wann?
So ist es kein Wunder, dass „Game of Thrones“so einen herausragenden kulturellen Fußabdruck hinterlassen hat. Als die Serie bekannt wurde, staunten alle über die Wahnsinnsbudgets und den ebensolchen, früher nur vom Kino bekannten Aufwand. Jetzt aber gibt es von „Westworld“bis „Altered Carbon“lauter aufwendige Produktionen, der Wow-Faktor ist abgeebbt.
Mehr Witz
Und das Publikum signalisiert Sehnsucht nach anderem Gehalt. Das zeigt auch der eigentliche Gewinner der Emmy-Verleihung. Die in Summe wichtigsten Preise (beste Comedy-Serie, beste Schauspielerin, beste Regie, bestes Drehbuch) gingen an
„The Marvelous Mrs. Maisel“, eine witzige und gut geschriebene 50er-Jahre-Serie auf Amazon. Die Serie der „Gilmore Girls“-Macherin Amy Sherman-Palladino ist keine der bildprägenden Riesenproduktionen. Sie lebt von Wortwitz und der schlauen feministischen Story. Eine TV-Serie vom alten Schlag.
Dass diese abräumt, darf (bei aller Betulichkeit der Emmys) als bezeichnend gesehen werden: Der Serienboom – immer teurer, immer komplexer, immer länger – stößt an seine Grenzen. Und wenn die Serienkost zur zeitfressenden Freizeit-Arbeit wird, punktet entspannende Unterhaltung.