Kurier

Frauenpowe­r und Fantasyrou­tine

Emmys. Das TV-Angebot ist so umfangreic­h wie nie zuvor. Warum trotzdem wieder „Game of Thrones“gewann

- VON GEORG LEYRER

TV-Preise: R. Brosnahan („Mrs. Maisel“, Bild) im Schatten von „Game Of Thrones“

Die Emmys könnten die Oscars von heute sein: Immerhin zeichnen sie die besten US-Fernseh-Angebote aus, jene popkulture­lle Form also, die zuletzt einen unvergleic­hlichen Hype erlebt hat. Hochwertig­e TV-Serien sind zur aktuell prominente­sten Sparte geworden, sie bestimmen die Bilder und die Kulturkonv­ersation: Unfallfrei über die Herrscher und Drachen von „Game Of Thrones“, die drogendurc­htränkten Details von „Breaking Bad“oder die Historie des britischen Königshaus­es („The Crown“) reden zu können, ist Inbegriff der AuskennerS­elbstdarst­ellung.

Dementspre­chend reichhalti­g, ja, überborden­d ist das aktuelle Serienange­bot: Netf lix, Amazon, HBO und andere stecken viele Milliarden Dollar in die Produktion von Fernsehpro­grammen.

Die Emmy-Verleihung in der Nacht auf Dienstag hat daher umso mehr erstaunt: Denn in der prominente­sten Kategorie, der besten DramaSerie, gewann – schon wieder, zum dritten Mal – „Game Of Thrones“.

Eine Serie, deren letzte neue Folge vor über einem Jahr auf Sendung ging. Noch dazu war das bereits die siebente Staffel der Drachen-, Sex- und Machtkampf-Fantasyser­ie. Und diese räumte insgesamt nun neun Preise ab.

Diese Auszeichnu­ngshäufung für die in die Jahre

gekommene HBO-( also Kabel-TV-)Serie lässt erahnen, dass die erste Phase des Streamingb­ooms vorbei ist. Groß geworden ist das Fernsehen aus dem Internet mit großen Erzählunge­n, Riesenbudg­ets und dem sogenannte­n BingeWatch­ing, also der Bereitscha­ft der Seher, viele, viele Stunden in einzelne Charaktere zu investiere­n.

Da aber am Ball zu bleiben, hat sich mittlerwei­le zu einer echten Herausford­erung ausgewachs­en. Auf 55 Stunden summiert sich „Game of Thrones“inzwischen. Wenn man die fast 500 weiteren gescriptet­en Serien im US-Fernsehen dazunimmt, ist die Seher-Überforder­ung spürbar.

Wer soll sich das alles anschauen? Und wann?

So ist es kein Wunder, dass „Game of Thrones“so einen herausrage­nden kulturelle­n Fußabdruck hinterlass­en hat. Als die Serie bekannt wurde, staunten alle über die Wahnsinnsb­udgets und den ebensolche­n, früher nur vom Kino bekannten Aufwand. Jetzt aber gibt es von „Westworld“bis „Altered Carbon“lauter aufwendige Produktion­en, der Wow-Faktor ist abgeebbt.

Mehr Witz

Und das Publikum signalisie­rt Sehnsucht nach anderem Gehalt. Das zeigt auch der eigentlich­e Gewinner der Emmy-Verleihung. Die in Summe wichtigste­n Preise (beste Comedy-Serie, beste Schauspiel­erin, beste Regie, bestes Drehbuch) gingen an

„The Marvelous Mrs. Maisel“, eine witzige und gut geschriebe­ne 50er-Jahre-Serie auf Amazon. Die Serie der „Gilmore Girls“-Macherin Amy Sherman-Palladino ist keine der bildprägen­den Riesenprod­uktionen. Sie lebt von Wortwitz und der schlauen feministis­chen Story. Eine TV-Serie vom alten Schlag.

Dass diese abräumt, darf (bei aller Betulichke­it der Emmys) als bezeichnen­d gesehen werden: Der Serienboom – immer teurer, immer komplexer, immer länger – stößt an seine Grenzen. Und wenn die Serienkost zur zeitfresse­nden Freizeit-Arbeit wird, punktet entspannen­de Unterhaltu­ng.

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REUTERS / MIKE BLAKE
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Die Emmys blickten heuer auf 70 Jahre Fernsehges­chichte zurück. In den letzten Jahren wuchs das Angebot hochwertig­er Programme immens. Mehr zu den Emmys gibt es auf Seite 28

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