Umstieg statt Rauswurf im Fall Maaßen
Angezählter Verfassungsschützer wird Politiker
Deutschland. Die Bundesregierung hat sich in der Causa Maaßen entschieden: Der in die Kritik geratene Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, muss seinen Posten räumen, soll aber als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln. Für Maaßen stellt der Wechsel sogar eine Beförderung in eine höhere Besoldungsgruppe dar, was nun von Grünen und FDP kritisiert wird. „Die Beförderung von Herrn Maaßen ist eine formelhafte Scheinlösung. Entweder man vertraut ihm oder nicht“, sagte FDP-Chef Christian Lindner.
Für die Koalitionspartner CDU, CSU und SPD ist es vor allem ein Kompromiss, der auch das Fortbestehen der Koalition sichern soll.
Es sind keine zwei Monate seit der letzten Krise vergangen, da tagten die Parteichefs von CDU, CSU und SPD gestern erneut im Kanzleramt: Es ging um die Zukunft des Verfassungsschutzpräsidenten. Aber auch um die Zukunft dieser Regierung.
Die SPD forderte die Entlassung von Hans-Georg Maaßen, der nun seinen Posten räumen muss. Ihm wird vorgeworfen, er habe die Vorfälle in Chemnitz verharmlost und Vertrauen verspielt. Der 55Jährige hatte in der Bild die Authentizität eines Videos von Übergriffen auf Migranten angezweifelt, und angedeutet, es solle vom „Mord“an einem Deutschen ablenken. Beweise blieb er schuldig. Maaßen erklärte später, er wollte darauf hinweisen, dass ein Video keine „Hetzjagd“belegen kann. Er hoffte, Sachsens Landeschef zu unterstützen, der dies auch anzweifelt. Da Maaßen in seiner neutralen Position mehr mutmaßte, als auf klärte, kam Kanzlerin Merkel unter Zugzwang.
Kritik am Kompromiss
Nun soll Maaßen zwar abgelöst werden, aber als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln – ein scheinbar gesichtswahrender Kompromiss, der die Koalition retten soll. Doch ganz so einfach wird es nicht. Unter Merkels Gegnern gibt es viel Sympa-
thie für Maaßen, der ihre Flüchtlingspolitik ablehnt. Dass er nun seinen Posten räumen muss, heißt aus ihrer Sicht: Er wird abgestraft. Dieses Opfer-Narrativ nutzt auch die AfD, die Maaßen einen „unbequemen Mit-
arbeiter“nennt, der „weggelobt“wurde.
Gleichzeitig muss sich Merkel Schwäche vorwerfen lassen, sie habe sich nicht durchgesetzt. Maaßens neue Position, die ihm auch mehr Gehalt einbringt, sorgt par-
teiübergreifend für Kritik. FDP-Chef Christian Lindner sagt, die Beförderung Maaßens sei eine „formelhafte Scheinlösung. Entweder man vertraut ihm oder nicht.“
Innenminister Horst Seehofer kann damit sein Gesicht wahren – denn für ihn ist die Ablöse von Maaßen vor der Bayern-Wahl unangenehm: Bisher hat er sich immer hinter ihn gestellt. Nun musste er seine Position doch ändern.
In der SPD wird man Maaßens Abgang nicht feiern können. Noch am Wochenende versicherte Andrea Nahles: Maaßen „wird gehen“. Dass er nun zu seinem Dienstherrn versetzt wird, empört viele SPDler. Parteivize Ralf Stegner spricht von einem
„Desaster“, Juso-Chef Kevin Kühnert von einem „Schlag ins Gesicht“.
Wer aber den größten Schaden genommen hat: die Verfassungsschutzbehörde, die seit Jahren in der Kritik steht. Maaßen sollte sie mit Amtsantritt 2012 aus dem Sumpf ziehen, nachdem bekannt geworden war, dass Akten aus dem Umfeld der NSUMörder vernichtet wurden. Das ist ihm bedingt gelungen: Die Daten eines V-Mannes, der das Trio bespitzelte, wurden zu spät ausgewertet; dazu kamen Vorwürfe, seine Behörde habe nach dem Terroranschlag in Berlin Fehler vertuscht. Nach sechs Jahren unter Maaßen steht nun wieder ein Neuanfang bevor.