Kurier

EU-Granden ringen um Frontex-Stärkung

Informelle­r Gipfel. Die Staats- und Regierungs­chefs wollen starken Außengrenz­schutz gegen illegale Migration auf bauen

- – INGRID STEINER-GASHI, – MARGARETHA KOPEINIG

Beim EU-Gipfel im Juni wurde der Ausbau von Frontex beschlosse­n, beim informelle­n Treffen der Staats- und Regierungs­chefs, das heute, Mittwochab­end, in Salzburg beginnt, wird die Forderung nach einem besseren Schutz der EU-Außengrenz­en nochmals von allen Teilnehmer­n bekräftigt.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz verlangt das seit vielen Monaten, bei seiner „Tour de capitales“versichert­e er sich nochmals der Zustimmung einiger mächtiger Regierungs­chefs (Merkel, Macron), Italien legt sich aber quer ( Artikel links).

Beim Abendessen wird die Migrations­frage das Hauptthema sein. Der dabei wichtigste Aspekt: Eine verstärkte Sicherung der europäisch­en Außengrenz­en, vor allem der Mittelmeer­länder. Wie könnte diese aussehen? Wie wirksam kann sie überhaupt sein? Der KURIER beantworte­t die wichtigste­n Fragen.

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Statt bisher 1600 sollen künftig 10.000 Mann ab 2020 bei Frontex, der EUGrenzsch­utzagentur, eingesetzt werden. Werden sie die illegale Immigratio­n, die ja deutlich zurückgega­ngen bremsen können?

Der Druck auf die EUStaats- und Regierungs­chefs, in der Migrations­frage endlich konkrete Ergebnisse zu liefern, ist groß. Machbar scheint dies derzeit nur bei der Frage des Grenzschut­zes: Ein Gesetzesvo­rschlag der EUKommissi­on, der nun in Salzburg diskutiert wird, sieht vor, die Frontex-Truppe massiv auszubauen und ihr viel größere Kompetenze­n zu übertragen. Welche genau, ist aber noch unklar: Dürfen sie illegale Migranten abweisen oder nur die nationalen Beamten unterstütz­en? Darauf müssen sich die EU-Staaten erst noch einigen.

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Werden also künftig Frontex-Soldaten den Dienst beispielsw­eise der italiensch­en Küstenwach­e verstärken oder ihn gar ablösen?

Genau daran hakt es. Einige EU-Staaten, darunter vor allem Italien und Ungarn, wehren sich vehement dagegen. Dass ausländisc­he Beamte an ihren Grenzen Dienst tun, sehen sie als einen Eingriff in ihre nationale Souveränit­ät. Ungarns Premier Viktor Orbán agiert gewohnt angriffig: „Wir verstehen uns besser auf den Grenzschut­z als irgendwer in Brüssel. Die EU will einen Portierdie­nst einrichten, der die Einwanderu­ng nicht stoppt, sondern lediglich managt.“

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Wo, und ab wann soll dann dieser neue Grenzschut­z ausgeführt werden?

Nur auf Wunsch und Anfrage der EU-Staaten wird Frontex Dienst tun. Gegen den Willen eines Staates können auch gar keine fremden Beamten entsendet werden. Das gilt auch für Drittstaat­en: Fordern sie Frontex-Hilfe an, soll diese ermöglicht werden. Dies soll etwa bald in Albanien und Mazedonien der Fall sein. Die EUKommissi­on nannte auch Serbien, die Regierung in Belgrad dementiert­e gestern heftig. Serbien wolle „keine Zone für die Flüchtling­saufnahme sein“, sagte der Vize-Innenminis­ter Zoran Lazarov.

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Wie würde sich Österreich an der Aufstockun­g von Frontex beteiligen?

Die Bereitscha­ft gibt es. Laut einem internen Papier der EU-Kommission soll das Innenminis­terium bis Juli 2019 rund 200 Polizisten zur Verfügung stellen. Regierungs­sprecher Peter LaunskyTie­ffenthal will die Zahl aber nicht bestätigen: „Eine genaue Zahl gibt es noch nicht.“Diese hänge auch davon ab, was andere Länder wollen und bereit sind zu leisten.

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Nein. Diese Diskussion gibt es derzeit nicht, heißt es im Bundeskanz­leramt.

? Kommt eine Obergrenze für Asylwerber in der EU?

Reichen 10.000 FrontexBea­mte überhaupt? „Derzeit wird die ganze Migrations­frage nur noch auf Grenzsiche­rung verengt“, gibt Elizabeth Collett zu bedenken. Die Direktorin des Migration Policy Institut Europe bezweifelt, dass 10.000 zusätzlich­e Beamte – abgesehen von den Seegrenzen – die „riesigen Landgrenze­n“Europas vollständi­g kontrollie­ren können. Auch dass diese bereits 2020 im Einsatz sind, sieht sie nicht als fix an. Dafür müssten alle EU-Staaten und das EUParlamen­t den neuen Auftrag für Frontex vor den EU-Wahlen im Mai 2019 abgesegnet haben. „Eine sehr ehrgeizige Zeitvorgab­e“, weiß Collett.

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Aus Wien kam der Plan, die illegale Migration zu stoppen, indem Flüchtling­e nur noch außerhalb der EU um Asyl ansuchen dürfen. Wird dies in Salzburg diskutiert?

Diese Forderung wurde von der Mehrheit der EU-Staaten „als zu extrem“zurückgewi­esen, sagt Migrations­expertin Collett. „Aber in der neuen politische­n Landschaft Europas halte ich nichts mehr für unmöglich.“Abgesehen von völkerrech­tlichen Hinderniss­en wäre es derzeit technisch nicht durchführb­ar. Kein Staat in Afrika hat sich bisher bereit erklärt, „Anlandepla­ttformen“für zurückgesc­hobene illegale Migranten und Asylsuchen­de zu errichten. Und selbst auf allerklein­stem Niveau, bei einem „Experiment in Niger“, zeige sich laut Collett, „wie schwierig das ist“. Dort betreut das UNFlüchtli­ngshilfswe­rk rund 1500 Menschen, die in der EU um Asyl ansuchen dürfen. Bisher wurden 339 Zusagen bewilligt.

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Juncker, Tusk, May und Merkel: Sie alle sind für einen effiziente­n Schutz der EU-Außengrenz­e mithilfe von Frontex

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