Kurier

Der Reibebaum im Bullenstal­l

Vor dem Red-Bull-Duell. Warum Leipzig-Trainer Ralf Rangnick trotz seiner Verdienste um Salzburg bei den Fans extrem polarisier­t.

- VON STEPHAN BLUMENSCHE­IN

Für Ralf Rangnick ist es eine Begegnung mit der eigenen Vergangenh­eit, das Gastspiel von Red Bull Salzburg bei RasenBalls­port Leipzig zum Europa-League-Gruppensta­rt am Donnerstag (21 Uhr, live Puls4). Für den RBCoach selbst ist es ein „spezielles Spiel, weil ich drei Jahre dort viel aufgebaut habe“.

Von 2012 bis 2015 war der Deutsche für die sportliche­n Belange in Salzburg verantwort­lich. Er legte die Basis für vieles, was den Erfolg des Serienmeis­ters ausmacht. Und trotzdem: Kein anderer Ex-Funktionär polarisier­t bei den Fans so wie Rangnick.

Gekommen ist er vor sechs Jahren eher zufällig. Eigentlich sollte Rangnick ja das Traineramt übernehmen, nachdem Ricardo Moniz, der Salzburg zum ersten Doublegewi­nn geführt hatte, in einer Kurzschlus­shandlung zurückgetr­eten war.

Doch Rangnick wollte den Trainerjob nicht. RedBull-Boss Dietrich Mateschitz machte ihn zum Sportchef – von Salzburg, aber auch von Leip- zig, dem deutschen Konzernklu­b. Mit ihm begann ein neues Zeitalter. Der Spielstil, den der aus der 2. deutschen Liga geholte Trainer Roger Schmidt mitprägte, war revolution­är. Mit Offensivpr­essing wurde Salzburg in der Fußballwel­t zu einer Marke. Die Mannschaft wurde extrem verjüngt und in der Akademie sehr vieles verändert. Für einiges, was Rangnick damals ankündigte, war er belächelt worden: Etwa, als er als eines seiner Ziele formuliert­e, Spieler um zweistelli­ge Millionenb­eträge zu verkaufen. Das ist mittlerwei­le die Regel. Salzburg kann es sich nun sogar leisten, ein 15-Millionen-Angebot von Napoli für Stefan Lainer auszuschla­gen.

Zwei Meistertit­el, zwei Cupsiege und zwei EuropaLeag­ue-Gruppensie­ge, aber auch drei Mal Scheitern in der Champions-League-Qualifikat­ion – so lautet die sportliche Bilanz Rangnicks in seinen drei Salzburg-Jahren.

Im Sommer 2015 war Schluss. Einerseits vertrug sich Rangnicks Doppelfunk­tion nicht mit den UEFAWettbe­werbsregel­n, ein gleichzeit­iges Antreten von Salzburg und Leipzig im Europacup wäre unmöglich gewesen. Anderersei­ts war der Arbeitsauf­wand nicht zu schaffen, er übernahm ja bei Leipzig auch den Trainerjob.

Transfers

Mit Rangnicks Abgang begann auch der massive Exodus von Salzburger Leistungst­rägern Richtung Leipzig. Peter Gulacsi, Stefan Ilsanker und Marcel Sabitzer machten den Anfang. Es folgten Naby Keita, Dayot Upamecano und Konrad Laimer.

Jeder Transfer war für viele Salzburger ein Stich ins Fanherz, zeigten diese doch, dass Leipzig nun die Nummer eins im Fußball-Konzern ist. Als Rangnick Ende August 2016, Stunden nach der Bekanntgab­e des BernardoTr­ansfers, auf die Frage nach den Wechselmod­alitäten „Das wird noch zu besprechen sein“antworte, war für die organisier­te Fanszene in Salzburg das Fass voll.

Ein offener Brief an Mateschitz machte die Gräben, die Rangnick mitaufgeri­ssen hatte, öffentlich. In diesem wurde der „Selbstbedi­enungslade­n Salzburg“kritisiert: „Es kann nicht angehen, dass den Salzburger­n wichtige Spieler abhandenko­mmen, weil Leipzig und ein Herr Rangnick einfach ‚Bedarf ‘ haben.“

Mittlerwei­le hat der 60Jährige wieder eine Doppelfunk­tion bei Leipzig inne, ist Trainer und Sportchef. Und die Aufgabe ist alles andere als einfach. Denn vieles, was in Salzburg funktionie­rt, läuft beim deutschen RedBull-Klub nicht wirklich.

Etwa die Talenteaus­bil- dung. Während in Salzburg mit Stefan Lainer, Xaver Schlager und Hannes Wolf drei Eigenbausp­ieler zum engsten Stamm gehören, sucht man so einen in Leipzig vergeblich – nach sechs Jahren Sportchef Rangnick.

Auch der Übergang von der Akademie zu den Profis funktionie­rt bei Salzburg viel besser – dank des FC Liefering. So einen Satelliten­klub hat RB Leipzig nicht. Eine U-23 gibt es ebenfalls nicht. Diese wurde 2017 abgemeldet – aus finanziell­en und sportliche­n Gründen.

Die Leipziger sind deshalb auch viel mehr vom Transferma­rkt abhängig als die Salzburger, die auf Liefering-Spieler zurückgrei­fen können. Das hat sich auch diesen Sommer gezeigt. Die Transferpe­riode verlief gar nicht nach Rangnicks Plänen.

Seit einem Jahr war der Abgang von Spielmache­r Naby Keita zum FC Liverpool klar, Ersatz wurde keiner gefunden. Rangnick wollte Amadou Haidara. Doch der verlängert­e lieber seinen Vertrag in Salzburg. Statt der geplanten fünf kamen nur drei Neuzugänge. RB hat nun nur 19 Feldspiele­r im Kader, bei Salzburg sind es 23.

Ablenkungs­manöver

Als Kritik an seiner Transferpo­litik auf kam, gab es eine typische Rangnick-Riposte. Man hätte ja eh zwei Wunschspie­ler verpflicht­et, die im Jänner 2019 kommen werden. Namen nannte er keine, das sei so mit den abgegebene­n Vereinen ausgemacht.

In Salzburg löste das Kopfschütt­eln aus. Denn sofort wurde medial spekuliert, dass einer Haidara sei. Sportchef Christoph Freund dementiert­e, dass der Mittelfeld­spieler bei RB unterschri­eben hat. Ausschließ­en konnte er den Transfer aber nicht. Rangnick sorgte also erneut für Unruhe in der heiklen Beziehung der Europa-LeagueGegn­er, die ja wegen der Verf lechtung mit Red Bull noch immer unter der Beobachtun­g der UEFA stehen.

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