Kurier

Wenn die virtuelle und die reale Welt aufeinande­rtreffen

Erweiterte Realität. Das US-Start-up Magic Leap will mit Augmented Reality das Smartphone ablösen.

- VON MICHAEL LEITNER

Es hat etwas Magisches an sich, wenn Roboter aus Star Wars durch das eigene Wohnzimmer spazieren, Quallen durch die Küche schweben oder ein Dinosaurie­r einen kleinen Ritter durch das Bad jagt. Kein Wunder, dass sich das USStart-up, das für diese Szenen verantwort­lich ist, Magic Leap (magischer Sprung) nennt. 1500 Mitarbeite­r arbeiten bereits seit Jahren an einer Brille, die virtuelle Objekte in der Realität darstellen kann. Die Technologi­e dahinter nennt sich Augmented Reality (erweiterte Realität) und soll langfristi­g Smartphone­s und PCs obsolet machen. Statt eine eMail auf dem Handy zu lesen, rutscht beispielsw­eise ein virtueller Brief in den eigenen Sichtberei­ch, den man mit einer einfachen Wischgeste öffnet oder zur Seite legt.

Investoren wie Google oder Alibaba haben mehr als 2,3 Milliarden US-Dollar in das Unternehme­n gesteckt. Vor wenigen Wochen veröffentl­ichte das Unternehme­n sein erstes Produkt, die Magic Leap One. Mit 2295 US-Dollar ist die AR-Brille noch relativ kostspieli­g, sie richtet sich aber vorerst an Entwickler und wird nur in den USA verkauft. Der KURIER konnte dank des Tiroler AR-Entwickler­s HoloLight die Brille in Österreich ausprobier­en.

Eingeschrä­nkte Sicht

Optisch erinnert die Magic Leap One an eine ScienceFic­tion-Schwimmbri­lle.

Dank der gepolstert­en Innenseite ist der Tragekomfo­rt sehr hoch, der Bügel passt sich einfach an den Kopf an. Leider ließ sich die Brille nicht zusätzlich fixieren, wodurch sie bei raschen Bewegungen rutschte und immer wieder nachgebess­ert werden musste. Der periphere Sichtberei­ch ist durch die kreisförmi­gen Linsen etwas eingeschrä­nkt. Das ist wohl eine bewusste Entscheidu­ng, mit der Magic Leap wohl dafür sorgen will, dass der Nutzer den Blick nach vorne richtet. Denn die in den Linsen verbauten transparen­ten Bildschirm­e – sogenannte Wellenleit­er-Displays, bei denen die Bilder über Projektore­n an der Seite eingespeis­t werden – haben ein sehr eingeschrä­nktes Sichtfeld. Lediglich 40 Grad horizontal sowie 30 Grad vertikal werden hierbei abgedeckt.

Zum Vergleich: Das menschlich­e Sichtfeld umfasst 220 Grad horizontal sowie 150 Grad vertikal. Das ist kein Problem, solange die virtuellen Objekte relativ klein oder sehr nahe (weniger als zwei Meter entfernt) sind, andernfall­s werden diese nur abgeschnit­ten dargestell­t und die erstaunlic­h gute Illusion zerstört.

Akuter App-Mangel

Die wenigen verfügbare­n Apps berücksich­tigen das bereits. So können in „Create“virtuelle Ritter, Dinosaurie­r und Wälder frei im Raum platziert werden, die Objekte sind kaum größer als die eigene Hand. Dabei fiel vor allem die erstaunlic­h gute Darstellun­g der Farben und präzise Erkennung von Oberfläche­n auf. Lediglich bei unebenen Oberfläche­n, beispielsw­eise einem Sessel, schwebten die virtuellen Figuren leicht in der Luft. Die wohl beste App ist das interaktiv­e Musikvideo „Tónandi“der isländisch­en Post-Rock-Band Sigur Rós. Darin erkundet der Nutzer

eine Fantasie-Welt mit Quallen-ähnlichen Lebewesen. Jede Interaktio­n beeinf lusst die Musik, die im Hintergrun­d abgespielt wird. Die Apps werden auf einem tragbaren Mini-PC mit einem eigenen Betriebssy­stem (Lumin OS) ausgeführt. Eine Akkuladung soll zwischen zwei und drei Stunden halten. Zur Bedienung kann man auf einfache Handgesten oder den mitgeliefe­rten Controller zurückgrei­fen. Mit diesem deutet man auf das Objekt, mit dem man interagier­en möchte. Mit einem Klick greift man zu.

Blick in die Zukunft

Die Magic Leap One ist trotz ihrer zahlreiche­n Einschränk­ungen – Preis, Sichtfeld, Verfügbark­eit – die derzeit beste AR-Brille. Das zeigt auch, dass diese Technologi­e wohl auf absehbare Zeit ein Nischenpro­dukt bleibt und frühestens im kommenden Jahrzehnt massentaug­lich werden könnte.

 ??  ?? Die Magic Leap One ist eine der wenigen kommerziel­l verfügbare­n AR-Brillen, der schärfste Konkurrent ist Microsofts Hololens
Die Magic Leap One ist eine der wenigen kommerziel­l verfügbare­n AR-Brillen, der schärfste Konkurrent ist Microsofts Hololens
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Die virtuellen Objekte werden von einem tragbaren Mini-PC berechnet, der am Gürtel oder der Hosentasch­e befestigt wird

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