Wenn die virtuelle und die reale Welt aufeinandertreffen
Erweiterte Realität. Das US-Start-up Magic Leap will mit Augmented Reality das Smartphone ablösen.
Es hat etwas Magisches an sich, wenn Roboter aus Star Wars durch das eigene Wohnzimmer spazieren, Quallen durch die Küche schweben oder ein Dinosaurier einen kleinen Ritter durch das Bad jagt. Kein Wunder, dass sich das USStart-up, das für diese Szenen verantwortlich ist, Magic Leap (magischer Sprung) nennt. 1500 Mitarbeiter arbeiten bereits seit Jahren an einer Brille, die virtuelle Objekte in der Realität darstellen kann. Die Technologie dahinter nennt sich Augmented Reality (erweiterte Realität) und soll langfristig Smartphones und PCs obsolet machen. Statt eine eMail auf dem Handy zu lesen, rutscht beispielsweise ein virtueller Brief in den eigenen Sichtbereich, den man mit einer einfachen Wischgeste öffnet oder zur Seite legt.
Investoren wie Google oder Alibaba haben mehr als 2,3 Milliarden US-Dollar in das Unternehmen gesteckt. Vor wenigen Wochen veröffentlichte das Unternehmen sein erstes Produkt, die Magic Leap One. Mit 2295 US-Dollar ist die AR-Brille noch relativ kostspielig, sie richtet sich aber vorerst an Entwickler und wird nur in den USA verkauft. Der KURIER konnte dank des Tiroler AR-Entwicklers HoloLight die Brille in Österreich ausprobieren.
Eingeschränkte Sicht
Optisch erinnert die Magic Leap One an eine ScienceFiction-Schwimmbrille.
Dank der gepolsterten Innenseite ist der Tragekomfort sehr hoch, der Bügel passt sich einfach an den Kopf an. Leider ließ sich die Brille nicht zusätzlich fixieren, wodurch sie bei raschen Bewegungen rutschte und immer wieder nachgebessert werden musste. Der periphere Sichtbereich ist durch die kreisförmigen Linsen etwas eingeschränkt. Das ist wohl eine bewusste Entscheidung, mit der Magic Leap wohl dafür sorgen will, dass der Nutzer den Blick nach vorne richtet. Denn die in den Linsen verbauten transparenten Bildschirme – sogenannte Wellenleiter-Displays, bei denen die Bilder über Projektoren an der Seite eingespeist werden – haben ein sehr eingeschränktes Sichtfeld. Lediglich 40 Grad horizontal sowie 30 Grad vertikal werden hierbei abgedeckt.
Zum Vergleich: Das menschliche Sichtfeld umfasst 220 Grad horizontal sowie 150 Grad vertikal. Das ist kein Problem, solange die virtuellen Objekte relativ klein oder sehr nahe (weniger als zwei Meter entfernt) sind, andernfalls werden diese nur abgeschnitten dargestellt und die erstaunlich gute Illusion zerstört.
Akuter App-Mangel
Die wenigen verfügbaren Apps berücksichtigen das bereits. So können in „Create“virtuelle Ritter, Dinosaurier und Wälder frei im Raum platziert werden, die Objekte sind kaum größer als die eigene Hand. Dabei fiel vor allem die erstaunlich gute Darstellung der Farben und präzise Erkennung von Oberflächen auf. Lediglich bei unebenen Oberflächen, beispielsweise einem Sessel, schwebten die virtuellen Figuren leicht in der Luft. Die wohl beste App ist das interaktive Musikvideo „Tónandi“der isländischen Post-Rock-Band Sigur Rós. Darin erkundet der Nutzer
eine Fantasie-Welt mit Quallen-ähnlichen Lebewesen. Jede Interaktion beeinf lusst die Musik, die im Hintergrund abgespielt wird. Die Apps werden auf einem tragbaren Mini-PC mit einem eigenen Betriebssystem (Lumin OS) ausgeführt. Eine Akkuladung soll zwischen zwei und drei Stunden halten. Zur Bedienung kann man auf einfache Handgesten oder den mitgelieferten Controller zurückgreifen. Mit diesem deutet man auf das Objekt, mit dem man interagieren möchte. Mit einem Klick greift man zu.
Blick in die Zukunft
Die Magic Leap One ist trotz ihrer zahlreichen Einschränkungen – Preis, Sichtfeld, Verfügbarkeit – die derzeit beste AR-Brille. Das zeigt auch, dass diese Technologie wohl auf absehbare Zeit ein Nischenprodukt bleibt und frühestens im kommenden Jahrzehnt massentauglich werden könnte.