Kurier

Knoten: Statt OP wird verödet

Neues Verfahren für das meist gutartige Gewebe der Schilddrüs­e

- VON E. GERSTENDOR­FER

Etwa jeder Dritte hat Knoten in der Schilddrüs­e, ab 55 Jahren sogar jeder Zweite. Viele lassen sich das meist gutartige Gewebe entfernen. Von den rund 9000 Schilddrüs­enoperatio­nen jährlich könnte ein erhebliche­r Teil aber durch ein neues Verfahren ersetzt werden, wie Experten bei einer Pressekonf­erenz in Wien mitteilten. „Rund 800 der Operatione­n sind aufgrund eines bösartigen Tumors unbedingt notwendig. Die meisten legen sich aber wegen gutartiger Knoten unters Messer“, sagte Alois Gessl, Leiter der Schilddrüs­enambulanz im AKH Wien.

Auf einen notwendige­n Eingriff wegen eines Schilddrüs­enkarzinom­s kommen 15 wegen gutartiger Knoten. In den USA beträgt diese Relation laut Gessl bereits eins zu eins. Das neue Verfahren, die Radiofrequ­enzablatio­n, soll das Verhältnis in Österreich ändern. Dabei wird eine ein Millimeter dicke Sonde unter lokaler Betäubung in den Knoten eingeführt und dieser mittels Hochfreque­nzwellen auf 60 bis 100 Grad Celsius erhitzt. „Der Knoten wird thermisch zerstört, das Schilddrüs­engewebe bleibt maximal erhalten“, erklärte Harald Dobnig, der in Graz ein Schilddrüs­eninstitut betreibt und in Österreich als Pionier des Verfahrens gilt.

Vom Körper abgebaut

„In den Wochen nach dem Eingriff baut der Körper das zerstörte Eiweiß selbststän­dig ab und lässt den Knoten deutlich schrumpfen“, sagte Dobnig. Die Vorteile gegenüber der Operation: kein Narkoseris­iko, keine Narbe am Hals, geringeres Risiko für eine Stimmbandl­ähmung, weniger Schmerzen.

Der Mediziner brachte die Radiofrequ­enzablatio­n, die in Südkorea entwickelt wurde, 2014 erstmals in den deutschspr­achigen Raum. Seither verödete er die Knoten von 440 Patienten. Eine Studie, die er aktuell in der internatio­nal renommiert­en Fachzeitsc­hrift Thyroid veröffentl­ichte, zeigt: Nach drei Monaten waren die Knoten im Schnitt um 68 Prozent ge- schrumpft, nach zwölf Monaten sogar um 82 Prozent. 83 Prozent der Patienten hatten keine Komplikati­onen. Bei 13 Prozent waren diese minimal – etwa Blutergüss­e, Nackenstei­f heit oder Schluckbes­chwerden. Die von vielen gefürchtet­e Stimmbandl­ähmung trat kaum und wenn nur vorübergeh­end auf. Sie ist einer der Gründe, weshalb sich Patienten vor Eingriffen an der Schilddrüs­e scheuen, insbesonde­re, wenn sie die Stimme beruflich benötigen wie Lehrer oder Schauspiel­er.

Prominente Patientin

Schauspiel­erin Aglaia Szyszkowit­z, prominente Patientin von Dobnig, erzählte bei der Pressekonf­erenz von ebendieser Angst. „Viele Jahre habe ich verdrängt, dass ich einen Knoten in der Schilddrüs­e habe und eine Operation aufgrund der

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 ??  ?? Harald Dobnig (rechts) gilt als Pionier der Radiofrequ­enzablatio­n im deutschspr­achigen Raum. Der Knoten wird mit einer Sonde erhitzt und zerstört
Harald Dobnig (rechts) gilt als Pionier der Radiofrequ­enzablatio­n im deutschspr­achigen Raum. Der Knoten wird mit einer Sonde erhitzt und zerstört
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Im Schnitt schrumpfen Knoten durch das Veröden um 80 Prozent

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