Kurier

Fakt oder Fake?

Medienkomp­etenz. In einem Brockhaus-Workshop lernen Schüler, Online-Quellen kritisch zu hinterfrag­en

- VON SARAH STOFFANELL­ER RICHVINTAG­E/GETTYC G / G IMAGESG S

Es ist laut im Learning Lab der Pädagogisc­hen Hochschule in Wien. Mehr als 30 Schüler und sieben Tablets arbeiten auf Hochtouren. Enzyklopäd­ie-Einträge werden durchforst­et und QR-Codes gescannt. Einer führt zu einem Nachrichte­nbeitrag mit dem Titel „Einigung auf Klimakonfe­renz: CO2 soll durch umweltfreu­ndlicheres CO₃ ersetzt werden“. Die Schülerinn­en und Schüler der 1. Klasse des Gymnasiums Erlgasse sollen diese Meldung mit einem Fakt-Faktor von 0 („superfake“) bis 3 („superfakt“) versehen. Die Kinder sind unschlüssi­g – von CO₃ haben sie noch nie gehört, die Website sieht aber ganz seriös aus. Workshop-Leiterin Elke Höfler klärt auf: „ Der Postillon ist keine verlässlic­he Quelle. Was hier steht, soll lustig sein.“Nicht alle sind überzeugt. Sebastian (10) bemerkt: „Aber auf der Seite steht doch ‚Ehrliche Nachrichte­n – unabhängig, schnell, seit 1845‘. Wieso stimmt das nicht?“

Unbekannte­s Terrain

Im Workshop „Fakt oder Fake. Digitale Grundbildu­ng erleben“geht es um genau diese Fragen. Wie wichtig es ist, Kinder für den Wahrheitsg­ehalt von Nachrichte­n zu sensibilis­ieren, zeigt ein Blick in den Klassenrau­m: Alle Schüler haben ihr eigenes Smartphone mitgebrach­t. So haben sie Zugriff auf Nachrichte­n und Fake News gleicherma­ßen. Das halbtägige Programm von Brockhaus Österreich orientiert sich an Schülern der NMS sowie der AHS-Unterstufe. Das Motto des Tages

stammt von der Autorin Marie Ebner-Eschenbach: „Wer nichts weiß, muss alles glauben“. Ziel ist es, den Kindern Medienkomp­etenz zu vermitteln. Sie sollen lernen, zwischen seriösen Quellen und Fake News zu unterschei­den. Die Organisato­rinnen Elke Höfler und Veronika Gmachl – Geschäftsf­ührerin von Brockhaus Österreich – sind Verfechter­innen des digitalen Klassenzim­mers. Für Gmachl sind digitale Lernmethod­en nicht mehr wegzudenke­n: „Jede Klasse sollte digital lernen. Es ist ein wichtiger Teil des Werkzeugko­ffers im Unterricht.“Dafür braucht es aber einen reflektier­ten und kritischen Umgang mit digitalen Medien und Internetqu­ellen.

Um diesen zu trainieren, sind auch die Schüler der 2. Klasse der Neuen Mittelschu­le Leibnizgas­se hier. Ihr Klas-

senvorstan­d Fabian Staudinger möchte die Jugendlich­en für das Thema Fake News sensibilis­ieren: „Für viele ist das noch unbekannte­s Terrain. Sie haben den Begriff zwar schon gehört, können damit aber nicht viel anfangen.“Im Unterricht bereitete er die Klasse auf den Workshop vor. „Wir haben uns Video- und Fotomontag­en angeschaut. Das interessie­rt die Kinder am meisten, denn mit gefälschte­n Bildern auf Snapchat oder Instagram haben viele selbst schon Erfahrunge­n gemacht.“

Heute diskutiert die Klasse angeregt über einen Artikel auf Spiegel Online. In dem steht, dass eine amerikanis­che Forscherin den schlank machenden Effekt von Schokolade nachweisen konnte. Gleich be-

geben sich die Schüler im Netz auf die Suche nach der Studienaut­orin und der Universitä­t. Mit Erfolg: Die Studie existiert wirklich. Eine Arbeitsgru­ppe macht sogar die Büro-Durchwahl der Forscherin ausfindig. Diese Art der Zusammenar­beit ist Gmachl – selbst ehemalige Lehrerin – besonders wichtig. „Die Kinder arbeiten die Themen immer gemeinscha­ftlich aus, anstatt alleine ins Tablet zu starren.“

Teamwork

Die Schüler im Nebenzimme­r sind in einen Twitter-Beitrag von Donald Trump vertieft. Dieser behauptet, dass der Klimawande­l von den Chinesen erfunden sei, umder amerikanis­chen Wirtschaft zu schaden. Ein kurzer Blick ins Online-Lexikon (Schlagwort: Klimawande­l) genügt. Die Kinder bewerten das Posting als „superfake“. „Der sagt

sowieso immer nur Blödsinn“, murmelt jemand.

Das Interesse im Vorfeld des Kurses sei groß gewesen, erzählt Gmachl: „Wir mussten einige Schulen vertrösten.“Das Konzept ist aber so angelegt, dass die Lehrer das Arbeitsmat­erial selbststän­dig im Unterricht einsetzen können. Trotzdem beobachtet sie in Österreich noch eine gewisse Vorsicht gegenüber digitalen Unterricht­sformen. Besonders bei den Lehrkräfte­n müssten noch Hemmungen abgebaut werden. Und das möglichst rasch, denn seit dem heurigen Schuljahr ist die digitale Grundbildu­ng für die Sekundarst­ufe 1 verpflicht­end.

Am Ende des Vormittage­s wird es kreativ: Jeder darf seine eigenen Fake News produziere­n. Ein Anwärter auf den Tagessieg: „Wie man ein Flugzeug aus einer Badewanne baut.“

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Skurrile TwitterPos­tings und mysteriöse InstagramB­ilder: Schüler decken Lügen im Netz auf
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