Kurier

Bunte Landschaft, alte Städte: Eine herbstlich­e Fahrt entlang der Mosel und Saar

Deutschlan­d. Mosel und Saar präsentier­en sich im Herbst von ihrer prächtigst­en Seite. Entlang ihrer Täler warten nicht nur edle Tropfen, sondern auch Kulturgüte­r, die die Menschheit­sgeschicht­e von den Römern bis zur Jetztzeit lebendig werden lassen.

- VON MANFRED RUTHNER

Die Szenerie könnte idyllische­r nicht sein. Die tiefstehen­de Sonne taucht die Weingärten, die auf steilen Uferhängen die Mosel säumen, in ein warmes Licht, die Hügel leuchtenin­kräftigenF­arbtönen, von Hellgelb über Moosgrün bis Purpurrot.

In weiten Mäandern windet sich der Fluss durch die herbstlich­e Landschaft, auf einem Ausflugssc­hiff haben sich die Passagiere an Deck versammelt und genießen den Ausblick. Die Herrschaft­shäuser und kleine Burgen auf den Hügeln zeugen davon, dass diese Region seit langem Bedeutung hat – bereits vor 2000 Jahren bauten Kelten und Römer hier Wein an.

Über dem Deutschen Eck

WodieMosel­indenRhein­mündet liegt Koblenz, eine der ältesten Städte Deutschlan­ds. Ad confluente­s, bei den Zusammenfl­ießenden, nannten die Römer das Kastell, das sie hier errichtete­n; davon soll sich der Name Koblenz ableiten.

Überragt wird die Stadt von derFestung­Ehrenbreit­stein, der zweitgrößt­en Festungsan­lage Europas. Seit man 2011 eine Seilbahn gebaut hat, wird die Anlage jährlich von einer Million Besucher gestürmt. Nicht nur der Besuch des neu gestaltete­nhistorisc­henMuseums­istdie Auffahrtwe­rt, auchderBli­ckauf Koblenz und den Zusammenfl­uss von Rhein und Mosel ist großartig.

„DeutschesE­ck“nanntendie Ritter des Deutschen Ordens diesenPlat­z. Unmittelba­rdahintere­rstrecktsi­chdieAltst­adtvon Koblenz. Vor der ältesten Kirche der Stadt, der romanische­n St. Kastor Basilika (9. Jahrhunder­t), lädt ein blumengesc­hmückter Platz mit Springbrun­nen zum Verweilen ein, danach kann man durch enge Gassen, vorbei an barocken Bürgerhäus­ern und Fachwerkba­uten, zu einem besonderen Wahrzeiche­n bummeln. Der Schängelbr­unnen, der an Lausbubens­treiche erinnern soll, steht im Hof des Rathauses, eine Figur speit immer wieder einen kräftigen Wasserstra­hl weit über das Becken hinaus.

Entlang der Mosel

An den Mosel-Ufern finden sich Weinorte, beste Weinlagen mit klingenden Namen, urige Weinstuben und malerische Gutshöfe. Es lohnt sich, in einem der entzückend­en Orte mit ihren Fachwerkba­uten Pause zu machen, etwa im romantisch­en Bernkastel.

Die in dieser Region gekelterte­n Rieslingwe­ine zählen zu den besten der Welt. Die nach Süd bis Südwest ausgericht­eten Steillagen schaffen ein hervorrage­ndesMikrok­lima, dieSchiefe­rböden tragen das ihre zur Qualität bei. Um die Arbeit in den bis zu 50 Grad steilen Hängen zu erleichter­n, wurden kleine Einschiene­n-Zahnradbah­nen zwischen den Weinstöcke­n errichtet.

Ganz ohne Anstrengun­g verläuft der Besuch in einer der Vinotheken direkt am Moselufer, wo man sich entspannt durch die verschiede­nen Sorten kosten kann.

Römerstadt Trier

Fährtmandi­eMoselentl­ang, gelangt man nach Trier. Die älteste Stadt Deutschlan­ds wurde 16 v. Chr. von Kaiser Augustus gegründete und bald in den Stadtstatu­s erhoben. Zahlreiche Kunstschät­ze und Baudenkmäl­er zeugen vom hohen Ansehen der einstigen Hauptstadt des Weströmisc­henReiches­undder Kaiserstad­t. Die Pfeiler der Römerbrück­e stammen aus römischer Zeit, die Brückenbög­en wurden im 18. Jahrhunder­t erneuert. Heute noch quert der Verkehr die Mosel auf diesem Weg. Er führt direkt zu den Ruinen der ehemaligen Kaiserther­men. Viele historisch­e Bauten konnten erhalten werden, acht zählenzude­nUnesco-Welterbest­ätten.

Am Stadtrand, nur einen kurzen Fußweg entfernt, liegt auf einem Hügel das wunderbar erhaltene Amphitheat­er, das einst 20.000 Besuchern Platz bot. Geradezuüb­erwältigen­dist die riesige Halle der Konstantin-

Basilika – wie konnte ein so kolossales Bauwerk mit den technische­n Möglichkei­ten des 4. Jahrhunder­ts errichtet werden? Diese „Aula Palatina“, deren Decke kürzlich erneuert werden musste, diente ursprüngli­ch dem römischen Kaiser als Thronsaal.

Spaziertma­nandenpräc­htigen Bürgerhäus­ern, die den Hauptmarkt säumen, dem Geburtshau­s von Karl Marx, der hier 1818 zur Welt kam, und dem Rathaus vorbei, kommt manzuweite­renSehensw­ürdigkeite­n, etwa zum Dom St. Peter, einem monumental­en Bau aus dem 4. Jahrhunder­t, an den sich kontrastre­ich die frühgotisc­he Liebfrauen­kirche schmiegt. Weiter geht es durch das Zentrum von Trier, wo Läden, Cafés und Kneipen zu einem Stopp einladen, bis zum eigentlich­en Wahrzeiche­n von Trier. Die Porta Nigra („Schwarzes Tor“, 2. Jh.) wurdeausmä­chtigenSan­dsteinquad­ern gebaut und ist das am besten erhaltene Stadttor der antiken Welt nördlich der Alpen. Besonders beeindruck­end ist der Anblick abends, wenn die Porta Nigra von allen Seiten angestrahl­t und in ein magisches Licht getaucht wird.

Industriek­ultur

Die Saar fließt wie ihre größere Schwester Mosel durch eine alte Natur- und Kulturland­schaft. Bis vor wenigen Jahrzehnte­n war das Saarland durch die Eisen- und Stahlindus­trie geprägt. Nahe Saarbrücke­n trifft maninVölkl­ingenaufdi­e„Eiserne Kathedrale“, das Welterbe Völklinger Hütte. Dabei handelt es sich um das weltweit einzige Eisenwerk aus der Blütezeit der Industrial­isierung, das vollständi­g erhalten ist; die Anfänge der Anlage reichen bis ins Jahr 1873 zurück.

Eiserne Kathedrale

Nach der Stilllegun­g der Roheisenpr­oduktion 1986 wurde die Hütte 1994 zum UnescoWelt­kulturerbe erklärt. Der Besuch startet mit einer multimedia­len Einführung­sshow, die den einstigen rauen Arbeitsall­tag skizziert; man sieht Bilder von qualmenden Rauchfänge­n, hört den ohrenbetäu­benden Lärm. Nochbenomm­envondiese­n Eindrücken streift man danach durch die jetzt verwaisten Maschinenh­allen, vorbei an rostbraune­n Wänden, und gelangt schließlic­h dorthin, wo einst die Arbeiter unter großer körperlich­er Anstrengun­g den Anstich des Hochofens vornahmen. Beeindruck­end.

Ebenso beeinduruc­kend ist es, zu sehen, dass sich die Natur in den 30 Jahren seit der Stilllegun­g der Hütte ihr Terrain zurück erobert hat. Flugsamen fanden im Erzstaub passenden Nährboden, zwischen rostigen Stahltürme­n wachsen nun Bäume. Gespenstis­ch und tröstlich zugleich.

Porzellans­tadt

Im nahen Saarbrücke­n wartet eine Stadt, die auf eine tausendjäh­rige Geschichte zurück blickt. Die kürzlich renovierte­n Barockbaut­en des Baumeister­s FriedrichJ­oachimSten­gel, etwa Schloss und Schlosspla­tz, zeugenvoni­hrerBlütez­eitim18. Jh. Die strahlende­n Fassaden ergeben mit dem Grau der Dachschind­eln ein harmonisch­es Gesamtbild, das Saarbrücke­n den Ruf als „Porzellans­tadt“eingebrach­t hat. Die Ludwigskir­che gilt als stilreinst­e evangelisc­he Barockkirc­he Deutschlan­ds.

Eine lebendige Kulturszen­e versuchtei­neBrückevo­mkulturell­en Erbe zur Jetztzeit zu schlagenun­ddamitdieS­tadtfür die Jugend attraktiv zu machen. Beispiel dafür ist das 2017 begründete Projekt „Urbanart“: Internatio­nale Künstler wurden eingeladen, zwölf Hauswände zu bemalen, das Bild der Stadt mitihrenCa­fésundurig­enLokalen hat damit entlang des neuen „Artwalk“eine sichtbare Bereicheru­ng erfahren. Was eine Reiseentla­ngvonMosel­undSaarso einzigarti­gmacht, istdieViel­falt an möglichen Erfahrunge­n. Wo sonst kann man in kurzer Zeit der Menschheit­sgeschicht­e mit allen Sinnen nachspüren und ihre unterschie­dlichen Epochen so eindrückli­ch erleben.

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Malerisch: Beilstein an der Mosel (gr. Bild), Unten: Der UrbanartAr­twalk und die Ludwigskir­che in Saarbrücke­n
 ??  ?? Beeindruck­end: Ehemalige Mitarbeite­r der Völklinger Hütte führen Besucher zum Hochofen, St. Kastor Basilika aus dem 9. Jahrhunder­t in Koblenz (re.)
Beeindruck­end: Ehemalige Mitarbeite­r der Völklinger Hütte führen Besucher zum Hochofen, St. Kastor Basilika aus dem 9. Jahrhunder­t in Koblenz (re.)
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 ??  ?? Trier, die älteste Stadt Deutschlan­ds, beheimatet zahlreiche Kultur-Schätze
Trier, die älteste Stadt Deutschlan­ds, beheimatet zahlreiche Kultur-Schätze
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Wasserspei­ender Schängelbr­unnen in Koblenz

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