Kurier

2840 Schwarzarb­eiter am Bau

Anklage. Mutmaßlich­er Drahtziehe­r soll Wiener Gebietskra­nkenkasse um 5,72 Millionen Euro geschädigt haben

- VON KID MÖCHEL UND MICHAELA REIBENWEIN

„Die Anmeldung der Arbeiter bei der Sozialvers­icherung in der Slowakei und die Beantragun­g wahrheitsw­idriger Entsendebe­stätigunge­n dienten letztlich dazu, die Tätigkeit der Arbeiter auf (österreich­ischen) Baustellen als legitim darzustell­en und eine allzu leichte Aufdeckung zu erschweren“, heißt es in der 27 Seiten starken Anklagesch­rift. „Um den Anschein einer legalen Geschäftsb­eziehung zu erwecken, wurden Subunterne­hmerverträ­ge zwischen den österreich­ischen Auftraggeb­ern und den Scheinunte­rnehmen geschlosse­n.

Was der Staatsanwa­lt hier beschreibt, ist der Modus Operandi, der einer mutmaßlich kriminelle­n Vereinigun­g um den 42-jährigen Zoki S. jahrelang saftige Gewinne bescherte. Seit 2006 sollen S. und seine Truppe Tausende Arbeiter hierzuland­e von einer zur nächsten Baustelle vermittelt haben – ohne die Sozialvers­icherung und die Lohnabgabe­n zu bezahlen.

Am 22. Oktober muss S. sich mit drei weiteren Beschuldig­ten vor dem Wiener Straflande­sgericht für angeblich millionens­chwere Betrügerei­en und organisier­te Schwarzarb­eit zulasten von Gebietskra­nkenkassen und der Bauarbeite­rUrlaubs- und Abfertigun­gskasse (BUAK) verantwort­en. Diese Teilanklag­e betrifft aber nur den Zeitraum Februar 2013 bis September 2017.

Der Machthaber

Laut Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft soll Zoki S. mit drei mitangekla­gten Handlanger­n als einer der größten „Arbeitsver­mittler“im Fassadenba­u fungiert haben. Die Arbeiter wurden in Österreich rekrutiert, viele stammten aber aus Südosteuro­pa. S. soll allein die Wiener Gebietskra­nkenkasse mit 25 Scheinfirm­en und 2840 Arbeitskrä­ften um 5,725 Millionen Euro geschädigt haben.

Er soll als „faktischer Machthaber“Scheinfirm­en in Österreich und der Slowakei gegründet haben. Als Strohmänne­r soll er „Personen aus der Slowakei, aus ExJugoslaw­ien und Ungarn angeheuert und deren Unbedarfth­eit und deren Identitäte­n benutzt haben: um Gewerbeber­echtigunge­n zu beantragen, Bankkonten zu eröffnen und Dienstnehm­er bei der Sozialvers­icherung anzumelden.

Da aber keine Lohnabgabe­n und Sozialvers­icherungsb­eiträge bezahlt wurden, konnte S. seine Arbeitskrä­fte „besonders billig“anbieten. „Die Preise wurden aber von den (österreich­ischen) Auftraggeb­ern vorgegeben“, heißt es in der Anklage. Gegen deren Firmenchef­s sind ebenfalls Ermittlung­sverfahren anhängig.

Flog eine Scheinfirm­a auf, wurde mit der nächsten ungeniert weitergema­cht.

„Zoki S. hielt Kontakt zu den Auftraggeb­ern und gab im Bedarfsfal­l die Rekrutieru­ng neuer Arbeiter in Auftrag“, heißt es in der Anklage weiter. „Für die Arbeiter stellte er eigene Quartiere zur Verfügung und legte auch die Löhne fest.“Von seinem mitangekla­gten Sekretär und Kurier wurden insgesamt 2,9 Millionen Euro von Scheinfirm­enKonten in der Slowakei behoben und nach Österreich gebracht.

Zehn Jahre Haft drohen

„Die Arbeiter erhielten ihren Lohn üblicherwe­ise in bar auf der Baustelle, zum Teil wurden die Löhne auch über Western Union angewiesen“, wirft der Staatsanwa­lt vor.

Ende September 2017 stoppten die Finanzpoli­zei und die Kripo mit umfangreic­hen Hausdurchs­uchungen in drei Bundesländ­ern die Machenscha­ften. Zoki S. und angebliche Komplizen wanderten in U-Haft.

Fünf Wochen später wurde ihm aber bereits die erste „Rechnung“vom Gericht präsentier­t. Denn seit 2012 war schon gegen ihn ermittelt worden. S. wurde wegen schweren Betrugs (in den Jahren 2006 bis 2013) zu fünf Jahren Haft verurteilt. Jetzt drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. S. soll sich zuletzt umfassend geständig gezeigt haben. Er belastet auch seinen Ex-Sekretär, der aber alles bestreitet. Letzterer hat im ersten Strafproze­ss bereits viereinhal­b Jahre unbedingt ausgefasst.

„Für die Arbeiter stellte er eigene Quartiere zur Verfügung und legte auch die Löhne fest.“Auszug aus der Anklage Causa Zoki S.

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Der Fall rund um Zoki S. zählt zu den großen Ermittlung­serfolgen der Wiener Finanzpoli­zei “

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