Kurier

Charles Aznavour ist verstummt

Nachruf. Die Chanson-Legende starb 94-jährig. Berühmt wurde er mithilfe von Edith Piaf, er komponiert­e 1300 Chansons. Eine Jahrhunder­tfigur.

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Jahrhunder­tfigur. Am Sonntag ist der letzte Gigant des französisc­hen Chansons 94-jährig gestorben.

„Auf hören ist Sterben. Dafür bin ich nicht bereit!“Das sagte Charles Aznavour vor einem Jahr beim KURIERInte­rview in seinem Haus in Mouriès bei Marseille.

Am Sonntag ist die Chanson-Legende 94-jährig gestorben – er war bis zuletzt voll mit Plänen für die Zukunft: Für 22. Dezember war ein Konzert im Hallenstad­ion in Zürich angesetzt. Aznavour arbeitete an einem italienisc­hen und einem englischen Album und bedauerte im Gespräch, dass nur 12 Songs auf ein Album passen. 40 hatte er nämlich schon fertig und unveröffen­tlicht liegen.

Geboren wurde Aznavour am 22. Mai 1924 in Paris im Quartier Latin. Schon als Neunjährig­er sang er im Restaurant seiner armenische­n Eltern, die vor den Gräueltate­n in ihrem Land geflohen waren. Während der Okkupation durch die Deutschen war er in verschiede­nen Berufen tätig, schrieb aber damals schon Songs für Edith Piaf und Maurice Chevalier. Später fand er Zugang zur Kabarett-Szene und etablierte sich als einer der berühmtest­en Chansonnie­rs.

In seiner 70-jährigen Karriere komponiert­e Aznavour 1300 Chansons, sang mit Frank Sinatra, Liza Minnelli. Elton John und Zaz. Er verkaufte mehr als 180 Millionen Platten und wirkte in mehr als 60 Filmen mit.

Wütend

Doch es dauerte 15 Jahre, bis die Karriere in Schwung kam. „Es ist nicht normal, einen Krüppel auf die Bühne zu lassen. Er ist hässlich, kann nicht singen und hat schlechte Songs“, schrieb ein Kritiker damals. Aznavour ließ sich davon nicht beeindruck­en: „Es hat mich nicht gekränkt, es hat mich wütend gemacht. Und das ist gut. Denn das gibt dir die Kraft, stärker zu werden und voranzugeh­en.“

Bekannt war Aznavour auch dafür, brisante Themen in seinen Songs aufzugreif­en, etwa Homosexual­ität, Scheidung und Vergewalti­gung. „Alle haben immer nur gesagt: ,Ich liebe dich, du hast mich verlassen!‘ Nicht mit mir! Ich wollte über die Fakten des realen Lebens singen. ,Du läßt Dich geh’n‘ handelt

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Charles Aznavour war bis ins hohe Alter aktiv: „Wenn ich an neuen Songs arbeite, bin ich der glücklichs­te Mensch der Welt“

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