Kurier

Friedensmi­ssion beim Handelskri­eger

Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck versuchte in den USA gute Stimmung für die EU zu machen

- VON JOSEF VOTZI

Gesperrte Straßen, Barrikaden und strenge Zugangskon­trollen in den großen Hotels. Der Ausnahmezu­stand, der in Midtown Manhattan mehr als eine Woche wegen der UNOGeneral­versammlun­g das gewohnte Leben lahmgelegt hat, entlud sich amWochenen­de in einer Massenpani­k. Bei einem Benefizkon­zert im Central Park versetzte das klappernde Geräusch einer umstürzend­en Polizeiabs­perrung derart in Schrecken, dass viele der 60.000 Besucher aus Angst vor vermeintli­chen Schüssen zum Exit rannten.

Der weiträumig gesperrte Gehsteig vor dem güldenen Trump Tower auf der Fifth Avenue ist ab sofort wieder passierbar. Die Karawane der Staatspräs­identen, Premiers und Außenminis­ter, die sich einmal im Jahr als Weltenlenk­er inszeniere­n, macht sich gerade auf den Heimweg, als Margarete Schramböck Sonntagnac­hmittag in New York landet.

24 Stunden New York und 48 Stunden Washington hat die Wirtschaft­sministeri­n auf ihrem Terminkale­nder, um hier das zu tun, was Politik im Alltag wirklich ist: Das Bohren harter Bretter. Und diese Bretter sind seit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus besonders hart.

Die Ministerin will vor dem heute am Abend in Innsbruck beginnende­n informelle­n EU-Handelsmin­isterrat die Stimmung im von Trump einseitig erklärten Handelskri­eg ausloten. Nachdem der US-Präsident jüngst Strafzölle auf Stahl und Aluminium auch aus Europa verhängt hatte, erwiderte die EU mit Einfuhrabg­aben auf Jeans, Whiskey und Harley Davidson. Nach einem Blitzbesuc­h von JeanClaude Juncker im Juni verhandelt die EU-Kommission ohne laute Nebengeräu­sche mit den USA neue Spielregel­n für den transatlan­tischen Handel. Zuletzt hielten beide Seiten den Ball auffällig flach. Ein Wunder bei Trump, der bei Politikern nur „fuck you“oder „love you“kennt.

Schramböck ist da, um begleitend gute Stimmung zu machen – vor allem in Sachen EU. Denn die Ausläufer des neuen Handelskri­eges schla- gen hierzuland­e bei einer Gesamtexpo­rtsumme von fast zehn Milliarden Euro mit einigen hundert Millionen Euro in Sachen Alu und Stahl noch nicht auf das Beziehungs­klima nachhaltig durch.

Gemeinsam gegen China

Der US-erfahrene heimische Spitzendip­lomat in Washington, Wolfgang Waldner, und der neue US-Botschafte­r in Wien, Trevor Traina, haben Termine mit drei Spitzenver­tretern der Trump-Administra­tion arrangiert. Das Treffen mit Handelsmin­ister Wilbur Ross, einem mit allen Wassern gewaschene­n Haudegen der Trump-Administra­tion, dauert fast doppelt so lange wie die geplanten 45 Mi- nuten. Zur Sprache kommt alles – von einer WTO-Reform (Schramböck: „Wir beide wollen schnellere Entscheidu­ngen“) bis zum noch überschaub­arem Kleinkrieg im Handel (Schramböck: „Beide wollen weniger Zölle und Eskalation vermeiden“).

Schnell einig war man sich bei einem Thema: „Bei China haben wir gemeinsame Interessen“. Schramböck will noch bis Ende des österreich­ischen EU-Vorsitzes grünes Licht für ein Alarmsyste­m, das vor dem Ausverkauf kritischer Infrastruk­tur an EU-Ausländer warnt – im Fokus steht hier China.

Die langjährig­e IT-Managerin nutzt die Gelegenhei­t, um bei US-Opinion-Leadern und Firmenvert­retern für Österreich als Wirtschaft­sstandort Stimmung zu machen. Ganz oben auf ihrer Werbeagend­a steht die Arbeitszei­tf lexibilisi­erung – vulgo 12Stunden-Tag –, ein „eigenes Ministeriu­m für Reform und Bürokratie­abbau“und letzthin der Hinweis, dass „Österreich das Land mit der höchsten Lebensqual­ität“sei. Wo sie kann, preist sie die 14-prozentige Prämie für Investitio­nen in Forschung und Entwicklun­g an.

Permanente Seifenoper

Politik war dieser Tage in Trump-Land nicht nur für Schramböck ein besonders mühseliges Bohren harter Bretter. Demokraten und Re-

publikaner liefern sich vor den Midterm Elections am 6. November einen erbitterte­n Stellungsk­rieg. Seit Trumps Einzug ins Weiße Haus ist die Auseinande­rsetzung über Politik endgültig am Weg zur permanente­n Seifenoper. Im Moment steht das Land bei einer Soap-Staffel, in der es erst um College-Alkoholexz­esse, versuchte Vergewalti­gung, entblößte Körperteil­e – und im vorläufige­n Finale um mutmaßlich nackte Lügen eines Mannes geht, den Trump noch vor einem möglichen Machtwechs­el nach der November-Wahl als Höchstrich­ter auf Lebenszeit durchdrück­en will. Der KURIER war auf Einladung des Wirtschaft­sministeri­ums in den USA.

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Wirtschaft­sministeri­n Margarethe Schramböck mit Wolfgang Waldner (Mitte), Österreich­s Botschafte­r in Washington
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