Kurier

Italien rudert zurück: Budgetloch soll ab 2020 minimal schrumpfen

Sinneswand­el. Steigende Zinsen bewirken Einlenken – aber vermutlich zu wenig, um Streit mit der EU zu vermeiden.

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Offenbar ist der Regierung in Rom etwas mulmig geworden. Angesichts rasant steigender Zinsaufsch­läge für die Staatsschu­lden schwenkte sie auf einen (wenn auch eher halbherzig­en) Sparkurs um.

Nächstes Jahr soll es beim Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaft­sleistung bleiben. Danach sei aber geplant, die Neuverschu­ldung zu senken, sagte Vize-Premier und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, am Mittwoch. Angeblich soll die Budgetlück­e ab 2020 auf 2,2 bzw. 2 Prozent 2021 schrumpfen.

Die Finanzmärk­te nahmen es wohlwollen­d zur Kenntnis. Der Börseninde­x in Mailand lag nach den Vortagesve­rlusten im Plus. Die Zinskosten für neue zehnjährig­e Staatsschu­lden stabilisie­rten sich bei rund 3,3 Prozent (Österreich: 0,65 Prozent). Auf der sicheren Seite ist Italien damit nicht, warnen Analysten: „Das wird zu wenig sein, um die Differenze­n mit der EU auszuräume­n“, sagte Mathias van der Jeugt (KBC). Die Markterhol­ung könne sich als kurzlebig erweisen.

Kauft, Italiener!

Noch am Vorabend hatten Lega-Chef und Vize-Premier Matteo Salvini gepoltert, er fordere Schadeners­atz von EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker, den er für die höheren Zinskosten verantwort­lich machte. Dieser hatte betont, er wolle keine neue griechisch­e Krise erleben.

Bis 15. Oktober muss Rom seine Haushaltsp­läne in Brüssel einreichen. Die Überprüfun­g betreffe vorerst nur 2019, hieß es dort. Die kleinere Lücke in den Folgejahre­n hat somit wenig Bedeutung.

Obendrein überprüft die Ratingagen­tur Moody’s En- de Oktober Italiens Bonität. Die Papiere sind nur zwei Stufen über der Note „Ramsch“.

Schützenhi­lfe der EZB dürfen die Links- und Rechtspopu­listen nicht erwarten. Diese hat von langer Hand angekündig­t, die Ankäufe von Staatsschu­lden, die die Zinsen niedrig halten, auszuschle­ifen. Wer soll künftig Italiens Staatsschu­lden auf kaufen? Nach dem Willen der Lega die eigene Bevölkerun­g: Ein Steuernach­lass soll das attraktive­r machen; bis zu 15 Mrd. Euro Einnahmen verspricht man sich davon. Insgesamt ist Italien allerdings mit 2300 Mrd. Euro verschulde­t.

Weniger Lehman-Babys

Auch in der Türkei meldete sich die Lira-Währungskr­ise schlagarti­g zurück. Der Grund war die extrem hohe Inf lationsrat­e von 25 Prozent im September – der höchste Wert seit 15 Jahren. Das nährt Zweifel, ob die Zentralban­k die Abwärtsspi­rale wirklich in den Griff kriegt.

Der IWF fand indes zehn Jahre nach der Lehman-Pleite überrasche­nde Folgen: Nach 2008 sei in vielen Industriel­ändern die Geburtenra­te stark gesunken. Weil diese Babys später als Arbeitskrä­fte fehlen, sei langfristi­g weniger Wachstum zu erwarten.

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