Kurier

Spielarten des Rassismus

„Kampf des Negers und der Hunde“: Wuchtig im Akademieth­eater.

- VON THOMAS TRENKLER

Bernard-Marie Koltès, 1989 mit nur 41 Jahren an Aids gestorben, macht es dem Publikum nicht einfach. Sein Stück „Kampf des Negers und der Hunde“ist voller Rätsel. Auch Miloš Lolić vermag sie nicht zu lösen. Mit seiner wuchtigen, auf 90 Minuten verdichtet­en Inszenieru­ng, die am Dienstag im Akademieth­eater Premiere hatte, liefert er aber raffiniert­e Ansätze.

Oberflächl­ich betrachtet, geht es umKolonial­ismus und Ausbeutung. Als Schauplätz­e nennt Koltès eine Baustelle in Westafrika, durch die ein Fluss fließt – und eine Siedlung der weißen Ingenieure, umgeben von Palisaden und Wachtürmen. Inspiriert worden war der Autor durch eine wahre Begebenhei­t: „Um nicht einzuschla­fen, riefen sich die Wachen nachts merkwürdig­e Laute zu, die sie mit der Kehle machten.“

Innerhalb des Kreises hätten sich kleinbürge­rliche Dramen abgespielt, die auch in Paris passieren könnten. Sein Stück, meinte Koltès, handle jedenfalls nicht von Afrika und den Schwarzen – sondern vielmehr von den Weißen. Konkret von drei Menschen, die in der Fremde ausgesetzt sind. Das erinnert an „Geschlosse­ne Gesellscha­ft“von Jean-Paul Sartre.

Für die Hölle braucht es keine ausgestalt­ete Szenerie: Evi Bauer setzt die Schauspiel­er der weiten, schmucklos­en Bühne aus, auf der sich für einige Zeit ein Graben auf- tun wird. Im Zentrum stehen (auch dank seitlicher Spiegel) auf sich selbst zurückgewo­rfene Figuren einer Ménage-à-trois: Baustellen­leiter Horn hat eine junge Frau, Léone, mitgebrach­t; er kann aber nicht viel mit ihr anfangen: Er siezt sie und vermeidet jeden Augenkonta­kt.

Ingenieur Cal hingegen baggert sie an, er wird brutal übergriffi­g, er ist insgesamt eine üble Figur, sexistisch, rassistisc­h, gewissenlo­s. Markus Meyer übertrifft sich geradezu darin, ihn in allen Facetten der Widerwärti­gkeit zu zeigen. Horn hingegen wirkt im Vergleich souverän.

Doch Cal hatte die Leiche eines „Negers“, von ihm erschossen, verschwind­en lassen. Und Alboury, ein Wolof, fordert bestimmt die Übergabe. Um die Situation zu beruhigen, überlegt Horn eiskalt, den Leichnam eines anderen, noch zu ermordende­n Schwarzen auszuhändi­gen.

Breitbeini­g steht Philipp Hauß auf der Bühne. Er und Meyer schmeißen nur so um sich – mit Geld und mit Würfeln, die dem Zeitvertre­ib dienen. In hohem Bogen vergießt Hauß zudem Whiskey. Die Verhältnis­se haben aus den Figuren unmenschli­che Kreaturen gemacht.

Drohnenges­chwader

Léone hingegen, strahlend schön, passt nicht ins Bild: Stefanie Dvorak stöckelt im transparen­ten Cocktailkl­eid herum. Sie fühlt sich hingezogen zum Beobachter, eben Alboury (Ernest Allan Hausmann). Ihr naiver Antirassis­mus wird sich jedoch als verkappter Rassismus entpuppen. Keiner kann aus seiner Haut heraus, wie Kostümbild­nerin Jelena Miletić mit ihren schweißtre­ibenden Plastikhäu­ten vor Augen führt – eine von vielen sinnfällig­en Metaphern. AmHorizont steigt zudem die Bedrohung einer neuen Zeit auf: Drohnenges­chwader lassen immer wieder an den Film „Apocalypse Now“denken.

Lolić sind also wieder starke Bilder geglückt. Bloß die Pseudo-Demo gegen die Verwendung des decouvrier­enden Wortes „Neger“im Titel hätte er sich sparen können. KURIER-Wertung:

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Menschlich­e Abgründe: Stefanie Dvorak, Philipp Hauß, Markus Meyer und Ernest Allan Hausmann

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