Kurier

Russe könnte neuer lettischer Premier werden

Nach Wahlsieg. Die alte Regierung des EU-Landes wurde massiv abgestraft, Populisten gewannen dazu

- – JENS MATTERN

Die Rechts-Mitte-Regierung unter Premiermin­ister Maris Kucinskis wurde bei den Parlaments­wahlen in Lettland am Samstag massiv abgestraft – die drei Koalitions­parteien erreichten zusammen gerade einmal 28 Prozent. Die meisten Stimmen erhielt mit rund 20 Prozent wie immer die sozialdemo­kratische Partei „Harmonie“, welche die russischst­ämmige Minderheit vertritt, die knapp 30 Prozent der Bevölkerun­g ausmacht.

Darum verweigert­en die anderen Parteien bislang eine Koalition mit der „Harmonie“, deren Vorsitzend­er Nils Usakvos als Bürgermeis­ter der Hauptstadt Riga wirkt. Doch diesmal ist es anders, aus mehreren Gründen: Mit dem ehemaligen Wirtschaft­sminister Vjaceslavs Dombrovski­s, der erst dieses Jahr in die Partei wechselte, haben sie nun einen Premiermin­ister-Kandidaten, welcher der erste russischst­ämmige Premiermin­ister Lettlands werden kann. „Es gibt bei Koalitions­gesprächen keine Grenzen“, so der Kandidat nach den ersten Ergebnisse­n. Denn die zweit- und drittstärk­sten Parteien sind Newcomer, die sich vor den Wahlen ebenso alle Koalitions­optionen offen gehalten hatten. Da ist die Anti-Establishm­ent-Partei „Wem gehört der Staat?“(KPV LV) mit über 14 Prozent. Parteichef Artuss Kaimins, ein ehemaliger Schauspiel­er, der den Frust der einfachen Leute formuliere­n kann, gilt als lettischer Donald Trump ohne klares Programm.

Verlust trotz Wachstum

Zwar hat die Mitte-rechts-Regierung unter Premiermin­ister Maris Kucinskis von der Partei „Grüne und Bauern“(ZZS) einiges vorzuweise­n. Das Wirtschaft­swachstum kann dieses Jahr um die fünf Prozent erreichen, die Arbeitslos­igkeit liegt bei rund acht Prozent. Doch die Sparpoliti­k, die die Einführung des Euros 2014 möglich machte, scheint die Bevölke- rung zu ermüden, das Durchschni­ttseinkomm­en liegt nur knapp über 1000 Euro brutto. Auch sorgten Korruption­sfälle von lettischen Banken für Aufsehen – hier will die neugegründ­ete „Neue Konservati­ve Partei“(JKP) für mehr Transparen­z sorgen, die knapp 14 Prozent erreichte.

Vjaceslavs Dombrovski­s, der in Chicago in Volkswirts­chaft promoviert­e, und schon als Wirtschaft­sminister gearbeitet hat, gilt den Letten als leichter vermittelb­ar, als Parteichef Usakvos, der sich öfters mit Wladimir Putin traf und von einer russischen Okkupation der Krim nicht sprechen will. Das Ver- hältnis zu Russland ist eines der entscheide­nden Fragen in dem Land, das eine 270 Kilometer lange Grenze mit dem östlichen Nachbarn teilt und das derzeit kanadische Truppen im Land hat. Richtige EU- und NATO-Gegner gibt es in dem Land mit zwei Millionen Einwohnern darum offiziell nicht.

Das zeigt der Erfolg der neuen Partei „Entwicklun­g.Dafür!“, die aus proeuropäi­schen Bürgerbewe­gungen entstanden ist. Sie erreichte zwölf Prozent. Sollte die „Harmonie“erneut nicht als koalitions­fähig angesehen werden, so steht eine Mehrpartei­enregierun­g an, in der diese Europafreu­nde Einf luss geltend machen könnten.

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Der russischst­ämmige Vjaceslavs Dombrovski­s konnte mit „Harmonie“20 Prozent der Stimmen erreichen

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