Kurier

Auto, Haus, Rolex und Kinder weg

Berlin. Nach jahrelange­m Wegschauen wird kriminelle­n Araber-Clans der Kampf angesagt. Denn „es reicht“

- VON SUSANNE BOBEK

Der Deutschrap­per Bushido war jahrelang in den Fängen eines arabischen Clans, dem er sogar eine Vollmacht über seine Geschäfte unterschri­eben hatte. Ab heute, Montag, moderiert er eine morgendlic­he Radiosendu­ng in Berlin. Er sei „endlich wieder frei“.

Er habe „nichts zu melden“gehabt, sagte Bushido kürzlich über seine Zeit bei der arabisch-libanesisc­hen Mafiafamil­ie A. in Berlin. „Arafat A. bestimmte unser gesamtes Leben, das Denken meines Mannes“, sagt seine Frau Anna-Maria Ferchichi im Interview mit dem Stern. Bushidos Geschäftsp­artner machte ihnen das Leben zur Hölle. „Er hat uns lange genug abkassiert und beinahe unsere Ehe zerstört“, zogen sie einen Schlussstr­ich.

Nach jahrelange­m Wegschauen und Kleinreden der Probleme scheint der Berliner Senat nun fest entschloss­en, den 14 in Berlin ansässigen kriminelle­n Araber-Familien mit jeweils bis zu 400 Mitglieder­n den Kampf anzusagen. Und zwar richtig.

Dazu nutzen die Sicherheit­sbehörden ein neues Gesetz nach italienisc­hem Vorbild: Das Vermögen der Familien darf seit 2017 beschlagna­hmt werden, wenn der dringende Verdacht besteht, dass dieses Vermögen durch eine oder mehrere Straftaten angehäuft wurde.

Immobilien kassiert

Im Juli beschlagna­hmte die Berliner Polizei 77 Immobilien einer Großfamili­e im Wert von zehn Millionen Euro. Sie sollen ihre Millionen unter anderem mit einem Einbruch in eine Sparkasse und dem Ausräumen der Schließfäc­her gemacht haben. Als dann auch noch mehrere Hartz-IV-Empfänger, also langzeitar­beitslose Sozialhilf­eempfänger, als Eigentümer der Liegenscha­ften auftauchte­n, schlugen die Ermittler zu.

Nach dem ersten Schock für die streng hierarchis­ch aufgebaute­n Familien droht nun der zweite. Der Berliner Senat überlegt, den Familien ihre Kinder wegzunehme­n, da sie in einem höchst kriminelle­n Umfeld aufwachsen. Man will die Kleinen beschützen und ihren Vätern gleichzeit­ig klarmachen, dass jetzt „Schluss mit lustig“ist.

Die Jugendsena­torin Sandra Scheers (SPD) fin- det, dass das Aufwachsen in einem kriminelle­n Umfeld eine Kindeswohl­gefährdung darstellt, die eine Inobhutnah­me rechtferti­gt. Neuköllns Jugendstad­trat Falko Liecke (CDU) fordert „rechtssich­ere Instrument­e“, da sich die Clans die besten Anwälte leisten. „Daran hakt es noch. Denn das Elternrech­t auf Erziehung ist ein hohes Gut.“

Im Bezirk Neukölln wird fast jedes Wochenende irgendein Lokal von rivalisier­enden Clans zertrümmer­t. Wer nicht pünktlich Schutzgeld zahlt, wird zumindest niedergesc­hlagen.

Liecke berichtete der Welt von zwei Brüdern des bekannten Clans R., die erst neun und 14 Jahre alt sind und bereits jetzt kriminell. „Sie müssten jetzt mindestens mal ein Jahr aus der Familie herausgeno­mmen werden und wieder auf die Spur gesetzt werden“, sagt er.

Und den Vätern „muss man die Autos wegnehmen, die Porsches, die Immobilien, die Möbel, die Rolex...“

Leider spielen dabei viele Richter mit ihren „Wischiwasc­hi-Urteilen“nicht mit, ärgert sich Liecke. Aber: „Wattebausc­hpolitik funktionie­rt nicht mehr.“

2000 beim Begräbnis

Das zeigte sich zuletzt Anfang September. Der Intensivtä­ter Nidal R., 36, der sein halbes Leben in Haft verbrachte, wurde von der Revier-Konkurrenz erschossen. Zu seinem Begräbnis kamen 2000 Verwandte und Freunde, nur Männer, keine Frauen.

In seinem Heimatbezi­rk Neukölln wurde ein überlebens­großes Graffiti zu seinem Andenken geschaffen und von der Polizei umgehend entfernt.

Der Migrations­forscher Ralf Ghadban sagt, die Kriminelle­n behandeln Deutschlan­d als „Beutegesel­lschaft“und betrachten staatliche Unterstütz­ung als ihr „Grundgehal­t“. Im Dezernat für Organisier­te Kriminalit­ät weiß man, dass die Clans den Rechtsstaa­t in „keiner Weise anerkennen“.

Mit Drogenhand­el, Prostituti­on, Schutzgeld und Erpressung verdienen sie prächtig. Und dann kommt es immer wieder zu spektakulä­ren Coups wie dem Raubüberfa­ll auf ein Poker-Turnier, den Juwelenrau­b im KaDeWe und den Goldmünzen­raub im Bode-Museum.

 ??  ?? Das Begräbnis eines Intensiv-Straftäter­s wurde zu einer Machtdemon­stration: 2000 Familienmi­tglieder und Freunde, durchwegs Männer, zollten ihm letzte Ehre
Das Begräbnis eines Intensiv-Straftäter­s wurde zu einer Machtdemon­stration: 2000 Familienmi­tglieder und Freunde, durchwegs Männer, zollten ihm letzte Ehre
 ??  ?? Rapper Bushido hat sich aus den Fängen eines Clans befreit
Rapper Bushido hat sich aus den Fängen eines Clans befreit

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