Eigenständig, eigenwillig
Bayern. Der Freistaat war schon immer etwas anders: Mit einer liberalen Verfassung während der Ära Metternich, dem Wunsch nach Souveränität oder den polternden CSU-Politikern, denen am Sonntag eine politische Zäsur droht
Mia
san mia!“riefen einst die k.-u.-k.-Streitkräfte von Kaiser Franz Joseph, um ihre Überlegenheit verbal zu demonstrieren. Bekannter ist der Begriff heute als Schlachtruf von FC BayernFans oder Motto von CSU-Politikern. Horst Seehofer tönte es zuletzt 2013: Da holte der Parteivorsitzende, damals Ministerpräsident, bei den Wahlen die absolute Mehrheit zurück. Dass dies am Sonntag erneut gelingt, ist stark zu bezweifeln. Laut Umfragen droht der Partei ein Wahldebakel.
Ausgerechnet der CSU, die eine Erzählung vom „besonderen Bayern“, der „Vorstufe zum Paradies“, fast ein halbes Jahrhundert vorangetrieben hat. Gepaart mit einem selbstbewussten Auftreten als Staatspartei. Im restlichen Deutschland konnte man damit wenig anfangen, weiß Marita Krauss, Historikerin der Universität Augsburg. Gleichzeitig bestätigt es das Klischeebild der Bayern, die katholisch sind, Tracht tragen und am Stammtisch Parolen von sich geben – eine „hinterwäldlerische Vorstellung, die man seit dem 19. Jahrhundert hat“. Und die sich nach wie vor in norddeutschen Medien findet, so Krauss. Doch sie trifft heute wie damals nicht zu.
Frühe Reformen
Denn Bayern war zu der Zeit durchaus progressiver als Preußen und Österreich zusammen. Vor 200 Jahren gab sich das Land eine liberale Verfassung, während die Karlsbader-Beschlüsse die Metternich-Ära einleiteten, erklärt Krauss. So garantierte die Verfassung Grundrechte wie Sicherheit und Freiheit der Person, Öffentlichkeit der Gerichtsverfah- ren und eine Volksvertretung. Und der Reformer Maximilian von Montgelas zog eine Beamtenreform durch, erklärt die Expertin für Europäische Geschichte sowie Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte. „Sie wurden Staatsdiener und nicht wie in Preußen oder Österreich Diener der Fürsten. Die Beamten waren dem Staat verpflichtet, nicht nur dem König, und das ging bis ins Militär.“Auf der anderen Seite ließ sich Bayern Zeit, setzte nicht so schnell auf die Gewerbefreiheit wie Preußen. „Wirtschaftlicher Aufschwung und Industrialisierung kamen deutlich später. Dafür gab es mehr Mitsprache: „Bürgerliche konnten früher in das Beamtentum einsteigen. Diese Bemühung ist sicher auch ein Versuch gewesen, alle durch Napoleon hinzugewonnenen Gebiete in ein Ge- samtbayern zu integrieren.“Apropos Napoleon: Der Aufstieg vom Kurfürstenreich zum Königreich gelang zuvor erst durch ein Bündnis mit dem Franzosen und war auch dem Wunsch nach Eigenständigkeit geschuldet. Diese wurde 1866 gedämpft, als Bayern den Krieg gegen Preußen verlor. Das schmälerte aber den Willen nach Souveränität nicht. So endete 1918 die Monarchie mit einer unblutigen Revolution und der Ausrufung des Freistaates, also einer Republik.
Dass sich das Wörtchen Staat fast überall findet, von Staatskanzlei bis Staatsminister, lässt glauben, das Land habe Sonderrechte. „Bayern ist kein Staat, diese Behauptung versucht, Souveränität zu suggerieren, die man nicht hat.“Auch dass man eine bayerische Vertretung in Brüssel und Berlin eröffnet hat, ist nur „die Behauptung eines Staatswillens“. Zudem hat das Bundesland keine außenpolitischen Kompetenzen wie ein Staat, kann keinen Krieg oder Frieden erklären. Krauss: „Selbst wenn Herr Seehofer das immer wieder mal versucht, kann dies ein bayerischer Parteivorsitzender nicht machen.“
Ob diese Attitüde den Bayern mehr genützt oder geschadet habe? Diese Politik hat bei einigen viel Akzeptanz gefunden, glaubt Krauss, was sich in den Ergebnissen zeigte. „Damit konnte sie innerhalb der Union immer eine entsprechende bayerische Position vertreten.“Sie bezweifelt, dass dies so schnell vorbei sein wird. „Nach all den Skandalen, die die CSU erlebt hat, ist sie immer wieder aufgestanden.“