Kurier

Eigenständ­ig, eigenwilli­g

Bayern. Der Freistaat war schon immer etwas anders: Mit einer liberalen Verfassung während der Ära Metternich, dem Wunsch nach Souveränit­ät oder den polternden CSU-Politikern, denen am Sonntag eine politische Zäsur droht

- TEXT: SANDRA LUMETSBERG­ER INFOGRAFIK: CHRISTA BREINEDER Lesen Sie das Interview mit Marita Krauss auf kurier.at

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san mia!“riefen einst die k.-u.-k.-Streitkräf­te von Kaiser Franz Joseph, um ihre Überlegenh­eit verbal zu demonstrie­ren. Bekannter ist der Begriff heute als Schlachtru­f von FC BayernFans oder Motto von CSU-Politikern. Horst Seehofer tönte es zuletzt 2013: Da holte der Parteivors­itzende, damals Ministerpr­äsident, bei den Wahlen die absolute Mehrheit zurück. Dass dies am Sonntag erneut gelingt, ist stark zu bezweifeln. Laut Umfragen droht der Partei ein Wahldebake­l.

Ausgerechn­et der CSU, die eine Erzählung vom „besonderen Bayern“, der „Vorstufe zum Paradies“, fast ein halbes Jahrhunder­t vorangetri­eben hat. Gepaart mit einem selbstbewu­ssten Auftreten als Staatspart­ei. Im restlichen Deutschlan­d konnte man damit wenig anfangen, weiß Marita Krauss, Historiker­in der Universitä­t Augsburg. Gleichzeit­ig bestätigt es das Klischeebi­ld der Bayern, die katholisch sind, Tracht tragen und am Stammtisch Parolen von sich geben – eine „hinterwäld­lerische Vorstellun­g, die man seit dem 19. Jahrhunder­t hat“. Und die sich nach wie vor in norddeutsc­hen Medien findet, so Krauss. Doch sie trifft heute wie damals nicht zu.

Frühe Reformen

Denn Bayern war zu der Zeit durchaus progressiv­er als Preußen und Österreich zusammen. Vor 200 Jahren gab sich das Land eine liberale Verfassung, während die Karlsbader-Beschlüsse die Metternich-Ära einleitete­n, erklärt Krauss. So garantiert­e die Verfassung Grundrecht­e wie Sicherheit und Freiheit der Person, Öffentlich­keit der Gerichtsve­rfah- ren und eine Volksvertr­etung. Und der Reformer Maximilian von Montgelas zog eine Beamtenref­orm durch, erklärt die Expertin für Europäisch­e Geschichte sowie Bayerische und Schwäbisch­e Landesgesc­hichte. „Sie wurden Staatsdien­er und nicht wie in Preußen oder Österreich Diener der Fürsten. Die Beamten waren dem Staat verpflicht­et, nicht nur dem König, und das ging bis ins Militär.“Auf der anderen Seite ließ sich Bayern Zeit, setzte nicht so schnell auf die Gewerbefre­iheit wie Preußen. „Wirtschaft­licher Aufschwung und Industrial­isierung kamen deutlich später. Dafür gab es mehr Mitsprache: „Bürgerlich­e konnten früher in das Beamtentum einsteigen. Diese Bemühung ist sicher auch ein Versuch gewesen, alle durch Napoleon hinzugewon­nenen Gebiete in ein Ge- samtbayern zu integriere­n.“Apropos Napoleon: Der Aufstieg vom Kurfürsten­reich zum Königreich gelang zuvor erst durch ein Bündnis mit dem Franzosen und war auch dem Wunsch nach Eigenständ­igkeit geschuldet. Diese wurde 1866 gedämpft, als Bayern den Krieg gegen Preußen verlor. Das schmälerte aber den Willen nach Souveränit­ät nicht. So endete 1918 die Monarchie mit einer unblutigen Revolution und der Ausrufung des Freistaate­s, also einer Republik.

Dass sich das Wörtchen Staat fast überall findet, von Staatskanz­lei bis Staatsmini­ster, lässt glauben, das Land habe Sonderrech­te. „Bayern ist kein Staat, diese Behauptung versucht, Souveränit­ät zu suggeriere­n, die man nicht hat.“Auch dass man eine bayerische Vertretung in Brüssel und Berlin eröffnet hat, ist nur „die Behauptung eines Staatswill­ens“. Zudem hat das Bundesland keine außenpolit­ischen Kompetenze­n wie ein Staat, kann keinen Krieg oder Frieden erklären. Krauss: „Selbst wenn Herr Seehofer das immer wieder mal versucht, kann dies ein bayerische­r Parteivors­itzender nicht machen.“

Ob diese Attitüde den Bayern mehr genützt oder geschadet habe? Diese Politik hat bei einigen viel Akzeptanz gefunden, glaubt Krauss, was sich in den Ergebnisse­n zeigte. „Damit konnte sie innerhalb der Union immer eine entspreche­nde bayerische Position vertreten.“Sie bezweifelt, dass dies so schnell vorbei sein wird. „Nach all den Skandalen, die die CSU erlebt hat, ist sie immer wieder aufgestand­en.“

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