Kurier

Sachertort­e zum Frühstück

Kino. Der deutsche Schauspiel­er Udo Kier war einer der Stargäste des /slash Filmfestiv­als in Wien, wo er auch den ersten Film seiner Karriere drehte. Ein Gespräch mit dem charismati­schen Kölner über seine Karriere in Hollywood.

- ALEXANDRA SEIBEL

Niemand hat so tolle Augen wie Udo Kier. Egal, ob er als Andy Warhols Dracula, als Vampir in „Blade“, als Hans from Germany in „My Own Private Idaho“oder in David Schalkos „Altes Geld“von der Leinwand blickt – keiner fesselt unseren Blick wie er.

Geboren 1944 in Köln, hat der Deutsche in ganz unterschie­dlichen Rollen sein Publikum fasziniert – von kleinen Schundfilm­en bis hin zu Hollywood-Produktion­en. Heute lebt Kier in Palm Springs – aber eigentlich begann alles in Wien.

KURIER: Herr Kier, könnte man sagen, dass in Wien Ihre Filmkarrie­re begonnen hat?

Udo Kier: Aber ja, mich verbindet alles mit Wien, weil ich hier meinen allererste­n Film –„Schamlos“(1968) – gedreht habe. Ich war nach London gegangen, um Englisch zu lernen, weil wir zu Hause in Köln kein Geld fürs Gymnasium hatten. In London wurde ich entdeckt – zuerst für einen Kurzfilm. Dann kam sofort die größte Agentur der Welt, William Morris, und nahm mich unter Vertrag. Das erste Angebot war „Schamlos“. In Wien nahm ich Karate-Unterricht und ließ mir eine Lederjacke machen. Das war mein erster Spielfilm in Schwarz-weiß. Danach kam sofort mein erster Farbfilm, „Hexen bis aufs Blut gequält“(1969), der in Mauterndor­f entstand. Also wieder in Österreich. Und schließlic­h bekam ich vor zwei Jahren dann einen Anruf von David Schalko, der gerade die TV-Serie „Altes Geld“(2015) drehte. Gert

Voss war krank geworden, und er wollte mich an dessen Stelle besetzen. Ich sagte: „Moment mal. Den Knecht vom Burgtheate­r ersetzen, ist einfach, aber nicht den König.“Als Voss kurz darauf starb, habe ich angenommen.

Sie spielen ja auch in Schalkos neuer Mini-TV-Serie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“mit. Was habe Sie da für eine Rolle?

Ich spiele einen Fotografen, der durch Wien läuft und Menschen fotografie­rt. Bei der Gelegenhei­t fotografie­re ich auch M, also den Kindermörd­er, auf einem Kinderspie­lplatz. Der Fotograf, den ich spiele, hat einen Fuchsmante­l an, trägt eine Kamera bei sich und geht überall dahin, wo es ihn interessie­rt. Zu Hause hat er eine Wand voll mit Fotos, und da ist auch M darunter.

Ihre Rolle in Gus van Sants „My Own Private Idaho“(1991) öffnete Ihnen die Türe nach Hollywood. Sehen Sie das auch so?

Ich verdanke Gus van Sant alles. Ich habe ihn in Berlin während der Filmfestsp­iele kennengele­rnt. Ein junger Mann kam auf mich zu und sagte, er habe gerade einen Film um 20.000 Dollar namens „Mala Noche“(1986) gedreht. In seinem nächsten Film würden Keanu Reeves und River Phoenix mitspielen und da hätte er noch eine Rolle namens Hans. Ich dachte damals: „Was die alle daher reden auf Festivals ... Diese Regisseure sind so einsam.“

Sie spielen in sehr vielen neuen Filmen – zuletzt in zwei, die auf dem Filmfestiv­al in Venedig liefen. Gibt es gerade so etwas wie ein Udo-Kier-Revival?

Ja, ich bekomme derzeit auch sehr viele Preise. Ich glaube, dass die Leute denken: „Jetzt ist er 74 Jahre alt, jetzt müssen wir schnell noch was machen, bevor er im Rollstuhl sitzt und nicht mehr gehen kann.“

Was für einen Typus hat Hollywood in Ihnen gesucht?

Ich spiele keine Amerikaner, weil ich einen deutschen Akzent habe. Aber es gibt viele Rollen, die ich nicht annehme.

Sie meinen „Nazi-Rollen“?

Genau. Ich sollte gerade in einem wichtigen Film den Nazi-Doktor Mengele spielen, da habe ich gesagt: „Auf keinen Fall.“Und letzte Woche haben Sie mir Adolf Eichmann angeboten, aber da habe ich auch Nein gesagt. Ich spiele zwar Adolf Hitler in dem Comic-Sci-Fi-Film „Iron Sky“(2012). Aber das ist etwas anderes. Bei Christoph Schlingens­ief in „100 Jahre Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunk­er“(1989) habe ich auch Hitler gespielt. Das waren alles Komödien, aber ernsthaft – das geht nicht, das würde mich deprimiere­n.

Stimmt es, dass Sie gern in Wien leben würden?

Wenn es mir in Amerika zu bunt wird, dann würde ich nach Wien gehen. Ich habe diesen negativen Humor so gerne (fällt ins Wienerisch­e): „Na heast, na geh...Oida.“Man gibt auf, bevor man es überhaupt versucht hat. Ich finde das schön. Ich würde in der Blutgasse wohnen und dort kleine Fledermäus­e heraus hängen lassen. Und schon morgens frühstücke ich Sachertort­e.

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Udo Kier startete seine Karriere in Wien mit dem Krimi-Exploitati­onfilm „Schamlos“von Eddy Saller

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