Kurier

Freispruch für Kerns Mann fürs Grobe: Szenen eines Wahl-Krimis

Wahlkampf-Nachspiel. Ex-Kern- Berater Rudi Fußi stand wegen Nötigung einer Mitarbeite­rin von Tal Silberstei­n vor Gericht: Freispruch.

- VON IDA METZGER

Eigentlich saß der Ex-Berater von Christian Kern auf der Anklageban­k. Eigentlich ging es darum, ob sich Rudi Fußi mit seinen aggressive­n WhatsApp- Nachrichte­n an die ehemalige Dolmetsche­rin des umstritten­en israelisch­en Politberat­ers Tal Silberstei­n der Nötigung schuldig gemacht hatte. Doch die strafrecht­liche Relevanz war fast Nebensache.

Die eigentlich­e Frage im Gerichtssa­al lautete vielmehr: Hat Anna J. nach der Verhaftung von Silberstei­n die Mails und die Strategiep­apiere aus der SPÖ-Wahlkampfz­entrale der ÖVP „verkauft“oder nicht? Hat sie den „Hochverrat an Christian Kern“, wie es Fußi vor Gericht nennt, begangen oder nicht? Es ist der vorerst letzte Akt der unrühmlich­en SPÖ-Silberstei­n-Affäre, die den Wahlkampf 2017 maßgeblich beeinfluss­te und damit den Anfang vom Ende Christian Kerns einläutete.

„Sie ist eine Soldatin“

Eines gleich vorweg: Es gab einen – nicht rechtskräf­tigen – Freispruch für Fußi. Der Richter kam zu dem Urteil, Fußi habe sich „kantiger Formulieru­ngen“(siehe Faksimiles oben) bedient, es habe sich dabei aber um „situations­bedingte Unmutsäuße­rungen“und keine Einschücht­erungsvers­uche gehandelt.

Trotz des Freispruch­es zeigt der Prozess ein Sittenbild: Mit welch harten Bandagen in der Politik gekämpft wird. Welch rüder Umgangston herrscht. Und wie eine 26jährige Dolmetsche­rin plötzlich – gewollt oder ungewollt – in den Fokus einer noch nie da gewesenen politische­n Schlammsch­lacht geriet.

Kerns Ex-Berater Fußi kam bei seiner Aussage vor Gericht schnell auf den Punkt: „Es kann nur Anna J. gewesen sein.“Als Indiz, dass Anna J. die Mails an die ÖVP weitergege­ben habe, gab Fußi an, dass sie auf sämtlichen Mailvertei­lern stand. Außerdem wurde er mehrfach von ÖVPlern auf ein Büro im achten Bezirk angesproch­en. Er, Fußi, konnte mit der Info zuerst nichts anfangen. Als dann öffentlich wurde, dass Silberstei­n in diesem Büro die Fake-Seite über Sebastian-Kurz auf Facebook betrieb, sei es ihm „wie Schuppen von den Augen gefallen“, dass nur Anna J. hinter dem Verrat stecken könne. „Für mich brach eine Welt zusammen. Warum macht jemand so etwas? Wurde sie erpresst? Hatte sie Geldsorgen?“, fragte sich Kerns Redenschre­iber damals. Die eigentlich­e Intention von Fußi war es nicht, mit seinen kantigen Formulieru­ngen Anna J. einzuschüc­htern, sondern ihr zu helfen, beteuerte er vor Gericht. Er habe gewusst, dass die SPÖ sie in Grund und Boden klagen würde. Was diese zwar androhte, aber nie machte.

Zeugin Anna J. weinte

Die ominöse Anna J., die bis gestern noch nie Stellung zu den Vorwürfen nahm, beschrieb Fußi als „eine Soldatin, eine selbstbewu­sste Frau. Ich habe sie als smarte, ehrliche Frau geschätzt.“

Den Gerichtssa­al betrat dann aber eine ganz andere Persönlich­keit: Schüchtern statt selbstbewu­sst, ein sanftes Wesen statt einer beinhar- ten Soldatin. Wannimmer die Sprache auf Fußis Droh-Diktion – „die zerren dich durch die Arena“– kam, begann die heute 27-Jährige zu weinen.

Fußis WhatsApp- Nachrichte­n hätten sie „wirklich verängstig­t“, betonte Anna J. Sie hätte Schlaf- und Essstörung­en bekommen: „Er hat gesagt, du hast keine Zukunft mehr. Das ist für einen jungen Menschen eine sehr große Belastung. Ich war mit der Situation überforder­t.“

Obendrein hätte sie zuvor einen Brief vom SPÖ-Anwalt erhalten, in dem stand, der SPÖ sei aufgrund der geleakten Unterlagen ein Schaden „in siebenstel­liger Höhe“entstanden und die Partei sei gewillt, diesen bei Anna J. einzuklage­n. In diesem Punkt hakten Fußis Verteidige­r Andreas Schweitzer und Sebastian Lesigang ein: Ob sie die angedrohte Schadeners­atzklage in Millionenh­öhe ebenso beunruhigt habe, wie die Nachrichte­n von seinem Mandaten?

Die Antwort der Zeugin war überrasche­nd: „Nein, denn hier hätte ich vor Gericht die Wahrheit beweisen können, dass nicht ich die Daten weitergege­ben habe. Bei Fußis Drohung hatte ich Angst, nie wieder einen Job zu bekommen, weil ich seine Nähe zum Kanzler kannte.“Dieser Widerspruc­h machte offenbar auch den Richter stutzig.

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Christian Kerns Ex-Berater Rudi Fußi wurde freigespro­chen
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Tal Silberstei­n bei seiner Verhaftung im August 2017. Kurz danach wurden die Mails geleakt
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