Kurier

Emmanuel Macron kämpft mit hartnäckig­em Stimmungst­ief

Enttäuschu­ng. Eine erzwungene Regierungs­umbildung soll Vertrauen zurückbrin­gen. Der Präsident reagiert auf Kritik zunehmend unwirsch

- – DANNY LEDER, PARIS

„Als ich jung war, habe ich den Alten geholfen. Der junge Macron macht das Gegenteil, er zieht uns Alten das Geld aus dem Taschl“, ruft ein rüstiger Pensionist in einem Schnell-Imbiss auf der Pariser Rue des Pyrennées. Kein Anwesender widerspric­ht.

Das Stimmungst­ief für Emmanuel Macron ist allseits spürbar und aus den Umfragen abzulesen. In der letzten Meinungser­hebung des Forschungs­instituts „Odoxa“beurteilte­n ihn 66 Prozent als „schlechten Präsidente­n“.

Die für heute erwartete Neuaufstel­lung der Regierung soll frischen Elan bringen. Aber diese Umbildung erfolgte erzwungen: In der Vorwoche war Innenminis­ter Gérard Collomb zurückgetr­eten, um sich wieder auf seinen vormaligen Posten als Bürgermeis­ter von Lyon zu begeben. Dabei hatte Macron den Minister tagelang fast angefleht, zu bleiben.

Collomb, einst Spitzenpol­itiker der SP, war einer der ersten Weggefährt­en des jun- gen Macron beim Marsch aufs Präsidente­namt. Der 71jährige sah sich als väterliche­r Lehrmeiste­r, fand aber zuletzt bei Macron nicht das erwartete Gehör.

Auslöser für den Zwist an der Staatsspit­ze dürfte der Skandal um Alexandre Benalla, den gestrauche­lten Sicherheit­sbeauftrag­ten Macrons, gewesen sein. Der 26Jährige war im Juli in die Fänge der Justiz geraten, weil er sich als Polizei-Offizier ausgegeben und an Demonstran­ten vergriffen hatte.

Zwischen dem Skandal um Benalla und dem Rücktritt Collombs gab es Ende August die Demission des Umweltmini­sters Nicolas Hulot. Auch das populärste Regierungs­mitglied trat gegen den Willen Macrons zurück. Er wolle nicht länger „Illusionen“streuen, erklärte der Hoffnungst­räger der linksliber­alen Wähler.

Frust der Pensionist­en

Lagerüberg­reifend ist der Frust der Rentner, die bei den Präsidente­nwahlen massiv für Macron gestimmt hatten. Mit Ausnahme von 300.000 Mindestren­tnern bekam die Masse der Pensionist­en die Erhöhung einer Sozialsteu­er zu spüren, die Inflations­anpassung der Renten wurde gestoppt. Macron verteidigt das mit dem Argument, die Pensionist­en seien besser ge- stellt als Jungverdie­ner. Tatsächlic­h kommt nun eine radikale Verringeru­ng der Sozialvers­icherungsb­eiträge für Arbeitnehm­er. Aber diese Umschichtu­ng wird erst jetzt wirksam werden.

Außerdem ist der Abbau der Arbeitslos­enrate ins Stocken geraten. Sie hält bei neun Prozent wie im Vorjahr. Im Detail sind zwar Besserunge­n spürbar: die Jugendarbe­itslosigke­it sinkt, Betriebsgr­ündungen, Fixanstell­ungen und die Zahl der neuen Arbeitsplä­tze wachsen beständig. Aber in der Bevölkerun­g überwiegt das Gefühl, die von Macron veranlasst­e Lockerung des Arbeitsrec­hts sowie der Abbau von Steuern für Unternehme­r und Wohlhabend­e seien ungerecht und unwirksam.

Macron mahnte kürzlich Manager der Auto-Industrie: „Wir haben Arbeitern, Angestellt­en und der Mittelschi­cht viele Opfer abverlangt. Heute sind viele hilf- und perspektiv­los. Das muss sich ändern. Das ist mein Problem, aber auch das eure“. Das hindert den Staatschef nicht daran, wenn er auf unzufriede­ne Bürger stößt, mit forschen Zurechtwei­sungen zu reagieren. Zu einer Rentnerin meinte er jüngst: „Wenn weniger gejammert würde, ginge es Frankreich wesentlich besser“.

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Präsident Macron: „Wenn weniger gejammert würde ...“

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