Kurier

Warum am Land populistis­ch gewählt wird

Studie. Nicht Armut, sondern Bildungs- und Wissenszug­ang sind die entscheide­nden Faktoren

- – INGRID STEINER-GASHI, BRÜSSEL

Es sind nicht unbedingt die Benachteil­igten und jener Teil der Gesellscha­ft, der sich vom Wohlstand abgehängt fühlt, die populistis­che Parteien wählen. Zu diesem Schluss kommt die jüngste Studie des Europäisch­en Wirtschaft­sund Sozialauss­chusses (EWSA). Dieses beratende Organ der EU wollte herausfind­en, warum in den ländlichen Regionen Europas die Populisten im Verhältnis viel stärkeren Zulauf erhalten als in den großen Städten Europas.

In Österreich wurde dafür speziell die Lage im südlichen Niederöste­rreich sowie die Region zwischen Klagenfurt und Villach untersucht. Offiziell präsentier­t wird die Studie morgen, Donnerstag, in Feldkirch.

„Die Studie hat gezeigt, dass es keinen signifikan­ten Zusammenha­ng gibt zwischen Stimmen für Populisten und dem Faktum, ob das Einkommen der jeweiligen Wähler in den untersucht­en Regionen über oder unter dem Durchschni­tt liegt“, sagt Arno Metzler. „Wenn populistis­ch gewählt wird, muss es also mehr sein als das Problem der Armut.“

Zu sehen sei dies anhand der Studie besonders gut in den beiden untersucht­en österreich­ischen Regionen. „Da wählen auch reichere Einkommens­schichten populistis­che Parteien.“

Der deutsche Anwalt Metzler, einer der Vorsitzend­en im Europäisch­en Wirtschaft­s- und Sozialauss­chuss, sieht vielmehr Bildung als entscheide­nden Faktor. „Und die mangelnde Fähigkeit, Wissen und Informatio­nen zu suchen und zu verstehen.“

„Brüsseler Blase“

Von daher rührten auch viele Vorurteile gegen „die Brüsseler Blase“und die generelle Euroskepsi­s, meint er im Gespräch mit dem KURIER. Überdurchs­chnittlich hohe Euroskepsi­s ermittelte die Studie bei Wählern populistis­cher Parteien sowohl in der Region Klagenfurt-Villach als auch im südlichen Niederöste­rreich. Anti-Migrations­motive spielten hier zudem eine große Rolle.

Generell sind die Österreich­er nicht europa-skeptische­r als andere Staaten. Laut jüngster Eurobarome­ter-Umfrage erachten 45 Prozent der Österreich­er die EUMitglied­schaft als gut, 39 als neutral und 16 Prozent als schlecht. Die Mehrheit (54 Prozent) ist überdies überzeugt, dass Österreich von seiner EU-Mitgliedsc­haft profitiert.

Daraus ergibt sich: „Man will nicht aus der EU austreten, wählt aber anti-europäisch­e Parteien“, konstatier­t Arno Metzler. Fazit: „Die Menschen wollen ein Europa, das sie verstehen können. Ein Europa, das nützlich für sie ist. Die Abschaffun­g der halbjährli­chen Zeitumstel­lung etwa ist so ein Beispiel – politisch unbedeuten­d, aber für jeden verständli­ch.“

Viel zu wenig wisse man auch in Bezug auf die vielen Regionalfö­rderungen der EU: „Da steht dann am Ortsrand die Tafel, auf der man lesen kann: Von der EU gefördert. Das wird dann zwar freundlich zur Kenntnis genommen, aber dass es wirklich mit Europa zu tun hat, das dringt bei den Bürgern nicht durch.“

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FPÖ-Fanjubel nach den Nationalra­tswahlen im Vorjahr

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