Kurier

Falsche Pässe, hohe Orden

Russland. Die Skripal-Attentäter sind identifizi­ert. Dass das möglich war, liegt vor allem an Schleißigk­eit

- VON STEFAN SCHOCHER

Geheimdien­ste kochen allem Anschein nach auch nur mit Wasser. Und betrachtet man die Fake-Identitäte­n, mit denen Moskau anscheinen­d zwei Männer losschickt­e, umden Überläufer und ExDoppelag­enten Sergej Skripal zu vergiften, so wirken diese wie dünne Süppchen.

Nachdem einer der von Großbritan­nien gesuchten Männer bereits mit Namen und Geburtsdat­um identifizi­ert wurde, ist jetzt auch die Identität des zweiten Mannes geklärt. Jener Mann, der mit einem auf den Namen Alexander Petrow lautenden Pass nach Großbritan­nien eingereist war, heißt laut der Recherche-Plattform Bellingcat tatsächlic­h Alexander Yevgenyevi­ch Mishkin. Er wurde am 13. 7. 1979 geboren, zum Militärarz­t ausgebilde­t, noch während des Studiums vom Militärgeh­eimdienst GRU angeworben. Er lebt seit spätestens 2010 in Moskau, hat seither einen auf Petrow lautenden Pass und war bis 2014 unter der Adresse des GRU-Hauptquart­iers gemeldet. Zwischen 2011 und 2014 reiste er zudem viele Male in die Ukraine und nach Moldawien.

Während Russlands Staatschef Wladimir Putin derzeit kaum eine Möglichkei­t auslässt, diese Indizienke­tte ins Lächerlich­e zu ziehen („Blödsinn“), um zugleich Skripal anzuschwär­zen („Dreckskerl“, „Verräter“), offenbaren die Erkenntnis­se von Bellingcat haarsträub­ende Schwächen bei den russischen Diensten.

Denn Bellingcat tut nichts anderes, als öffentlich­e oder leicht zugänglich­e Informatio­nen zusammenzu­fügen. So wurde einer der Attentäter über die Jahrbücher einer Militäraka­demie sowie Angaben einer nicht-staatliche­n Veteranen-Plattform identifizi­ert, zusätzlich­e Infos lieferten Daten aus dem Melde- sowie Passregist­er. Letzteres förder- te zutage, dass sich in den PassAkten der Verdächtig­en, markante Lücken befinden. Zudem waren die Reisedokum­ente der Verdächtig­en mit fortlaufen­den Nummern ausgestell­t worden.

Dekorierte „Zivilisten“

Putin selbst hatte brüsk zurückgewi­esen, dass es sich bei den beiden Verdächtig­en um GRU-Agenten handeln könnte. „Zivilisten“nannte er sie. Wenige Stunden später gaben die beiden „Zivilisten“dem russischen Propaganda­Sender RT ein Interview. Das wiederum war nur knapp bevor Bellingcat- Recherchen den unter dem Namen Ruslan Boshirow gereisten Attentä- ter als Anatoliy Chepiga identifizi­erten.

2014 war Chepiga mit dem Titel „Held der Russischen Föderation“ausgezeich­net worden. Der Orden ist die höchste Auszeichnu­ng, die der russische Staat zu vergeben hat. Überreicht wird sie üblicherwe­ise von Putin höchstpers­önlich.

Auch Mishkin soll diesen Titel laut Bellingcat Ende 2014 erhalten haben. Der Zeitpunkt legt nahe, dass beide für Aktionen in der Ukraine ausgezeich­net wurden. Genannt werden die Annexion der Krim oder die Flucht des ukrainisch­en Präsidente­n Viktor Janukowits­ch Anfang 2014.

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Ausgezeich­nete GRU-Agenten – Chepiga und Mishkin, der Arzt

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