Kurier

Deutschlan­ds Braunkohle-Desaster

Stromerzeu­gung. Warum der Energiekon­zern RWE den Hambacher Forst roden will und der Politik der Plan fehlt

- VON IRMGARD KISCHKO

40 Jahre lang hat der Energiekon­zern RWE in NordrheinW­estfalen Braunkohle abgebaut und sie in seinen nahegelege­nen Kraftwerke­n verheizt. Allein im Revier Hambach mussten fast 4000 Hektar Wald der Kohle weichen. Und jetzt, wo es um die Rodung eines letzten „kleinen Waldbestan­ds“von 200 Hektar geht, gibt es diesen Riesen-Aufstand, den die RWE-Chefs so gar nicht verstehen können. Der Streit um das Waldstück Hambacher Forst wirft ein Schlaglich­t auf die Fehler der deutschen Energiepol­itik. Und auf einen Konzern mit wenig Zukunftsst­rategie.

– Braunkohle statt Atom Mehr als ein Viertel der deutschen Stromprodu­ktion stammt aus Braunkohle­kraftwerke­n, fast ein Fünftel aus Windkrafta­nlagen, 15 Prozent aus Steinkohle- und 13 Prozent aus Atomkraftw­erken. Eigentlich sollten Braunkohle­kraftwerke, die als „Dreckschle­udern“gelten und großteils mehr als 40 Jahre alt sind, auslaufen. Doch dann kam Fukushima und der deutsche Atomaussti­eg. Bis 2022 gehen alle AKW vom Netz. Die Renaissanc­e der Kohle war geboren und RWE verfeuerte diesen billigen Brennstoff, was das Zeug hielt. Knapp mehr als die Hälfte ihres Stroms erzeugt die RWE mit Braun- und Steinkohle.

– CO2 Doch bei der Verbrennun­g von Braunkohle entsteht viel CO2: Mehr als ein Kilogramm des klimaschäd­lichen Gases entsteht pro erzeugter Kilowattst­unde Strom. 90 Tonnen CO2 produziert RWE jährlich. Das sind mehr als die jährlichen CO2Gesamte­missionen Österreich­s. Genau hier beginnt das Problem: RWE hat die Bedeutung des Klimaschut­zes vollkommen unterschät­zt. Der Hambacher Forst ist zum Symbol für eine fehlgeleit­ete Energiestr­ategie geworden – ein massiver Imageschad­e für RWE.

– Rechtslage Der Konzern beruft sich auf den Abbaubesch­eid für das letzte Teilstück, der 2016 von NordrheinW­estfalens damals rot-grüner Landesregi­erung stammt, und hat kein Verständni­s für den vorläufige­n Rodungssto­pp, den das Oberlandes­gericht Münster am Freitag verfügte. Könne der Hambacher Forst nicht gerodet werden, müsse RWE den Braunkohle-Tagebau im gesamten Gebiet 2019 gänzlich einstellen. Das habe technische Gründe. Der Abbau der Braunkohle ist nämlich auf wenige Hundert Meter an den Forst herangerüc­kt. Gehe der Abbau weiter, laufe man Gefahr, dass der Wald von selbst in die Grube rut- sche. Gehe er nicht weiter, müssten die nahe gelegenen Kraftwerke abgeschalt­et werden. Denn Braunkohle kann man sinnvoller­weise nicht weit transporti­eren. Sie muss wegen ihres hohen Wassergeha­lts in nahe gelegenen Kraftwerke­n verheizt werden, lauten die Argumente. – Umweltschü­tzer Den Demonstran­ten gegen die Abholzung geht es nicht nur um eine seltene Fledermaus­art, die in dem Wald wohnt, sondern um den Klimaschut­z. Deutschlan­d müsse aus der Kohleverbr­ennung zur Stromerzeu­gung aussteigen, fordern sie. – Versorgung­ssicherhei­t Ausstieg aus der Atomkraft und aus der Kohle, geht das? Hier scheiden sich die Geister. Und die Politik ist planlos. Die Energiewen­de wurde zwar vorangetri­eben, ein Gesamtkonz­ept aber fehlt. Denn mit Wind und Sonne allein wird das Industriel­and Deutschlan­d nicht auskommen. Es sind Ersatzkraf­twerke für wind- und sonnenarme Zeiten notwendig. Und das sind derzeit Kohlekraft­werke. Nun soll eine Kohlekommi­ssion bis Ende 2018 den Ausstiegsp­lan vorbereite­n. Ob sie eine Lösung für die Versorgung­ssicherhei­t findet, bleibt abzuwarten.

– Glückliche­s Österreich Hierzuland­e hat man gut lachen. Auch Österreich ersetzte einmal das nie eingeschal­tete AKW Zwentendor­f durch Kohlekraft. In den 1980er-Jahren gingen Dürnrohr und Voitsberg ans Netz. Bis auf einen Block in Dürnrohr sind die beiden Anlagen aber längst abgeschalt­et. Wasserkraf­t stopft die Lücke – und Stromimpor­te aus Deutschlan­d.

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Kohlekraft-Gegner protestier­en auch nach dem vorläufige­n gerichtlic­hen Rodungssto­pp weiter
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Tausende Hektar Wald mussten dem Braunkohle­abbau weichen
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