Die Debatte im Zeitraffer
Hollywood. In der Filmbranche stieß #MeToo rasch auf Graubereiche
Die #MeToo-Debatte ging von Hollywood aus – also ist es kein Wunder, dass sie dort auch zuerst an jene Grenzen stieß, die die Neuverhandlung von Macht und Männeruntaten zuletzt zunehmend bestimmte.
Der mächtige Produzent Harvey Weinstein war noch ein klar geschnittener Bösewicht: Junge Schauspielerinnen als Opfer, Mitwisser in der gesamten Filmbranche und jahrzehntelange Einschüchterungen durch hochbezahlte Anwälte ließen wenig Raum für Solidarisierungen.
Aber dann wurde es schon komplizierter.
Kevin Spacey spielte gerne den Bösewicht und war wahnsinnig beliebt. Dass er aber in dem Augenblick, in dem er sexueller Übergriffe auf Männer verdächtigt wurde, auf seine Homosexualität verwies, brach zumindest kurz die Dynamik. Männer, die Männer missbrauchen, das brauchte beim breiteren Publikum dann doch eine kurze Nachdenkpause.
Auch der durch #MeToo beschleunigte Fall von Bill Cosby war für viele Amerikaner ein schmerzhafter Umdenkprozess; galt doch der Schauspieler als schwarze Galionsfigur und Serienvater der Nation.
Und der Fall von Jeffrey Tambor war dann die größte Abwägungsherausforderung der Frühphase von #MeToo: Er spielte in der Serie „Transparent“einen Transsexuellen, die Serie brachte viel Verständnis für früher an den Rand der Gesellschaft gedrängte Menschen. Dass Tambor Kolleginnen bedrängt hatte, drohte den bewahrenswerten Effekt zu beschädigen.
Schnelle Rückkehr
Tambor war auch relativ rasch zurück am Schirm: Er spielte zeitgleich in der Serie „Arrested Development“mit, und dort war von einem Rauswurf keine Rede.
Und dass mit Asia Argento eine lautstarke Vertreterin der Bewegung selbst mit Übergriffsvorwürfen konfrontiert wurde, stärkte die wachsende Gegenbewegung zu #MeToo. Nicht nur in Hollywood haben mit Vorwürfen kämpfende Kulturschaffende zuletzt begonnen, so lange und vehement wie möglich zu leugnen und die Frauen zu diskreditieren.
Und so wurden in Hollywood jene Graubereiche zuerst ausgelotet, die zuletzt die Debatte bestimmten: Was für Konsequenzen soll es haben, wenn Anschuldigungen erhoben werden, für die es keine Beweise geben kann und die vielleicht sogar verjährt sind? „Wir müssen neu definieren, wie ein faires Verfahren in solchen Fällen aussehen kann“, sagte die prominente #MeToo-Vertreterin Alyssa Milano kürzlich.
Dass sich diese aus Hollywood geborene gesellschaftliche Umwälzung jedoch genügend etabliert hat, um ihren eigenen ersten Geburtstag zu begehen, ist außergewöhnlich – und ein Riesenerfolg.