Kurier

Aufregung um Maurer-Urteil

Belästigun­g gepostet: Wegen übler Nachrede schuldig gesprochen.

- VON – MICHAELA REIBENWEIN

Als der Richter Dienstagvo­rmittag im Wiener Straf landesgeri­cht das Urteil verkündet, kann sich Albert L. ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Ihm gegenüber sitzt als Angeklagte die Ex-Grüne Sigi Maurer. Ihr Blick ist starr. Soeben hat sie Richter Stefan Apostol wegen übler Nachrede zu 3000 Euro Strafe verurteilt. Zusätzlich muss sie Albert L. wegen der erlittenen Kränkung 4000 Euro zahlen; nicht rechtskräf­tig. Sie sei erschütter­t, wird sie wenig später sagen. Doch erst muss sie den Schreck verdauen.

Vor dem Saal steht eine Horde an Journalist­en mit Mikrofonen und Kameras. Sie wollen die Stimmen nach dem Prozess einfangen – ein Prozess, der eine klare Gesetzeslü­cke aufzeigte. Das machte selbst der Richter deutlich: „Was Ihnen angetan worden ist, und dass das nicht straf bar ist, das steht auf einem anderen Blatt.“

Was Maurer angetan wurde, ging im vergangene­n Mai durch alle Medien. Nachdem sie am Craftbeer-Geschäft von Albert L. in der Wiener Strozzigas­se vorbei gegangen war, erhielt sie via Facebook zwei Nachrichte­n: „Du bist heute bei mir beim Geschäft vorbei gegangen und hast auf meinen Schwanz geguckt, als wolltest du ihn essen.“Die zweite Nachricht fiel noch deftiger aus.

Maurer wehrte sich. Sie veröffentl­ichte die Nachrichte­n auf Twitter. Gegen den Betreiber des Shops brach darauf hin ein Shitstorm aus, er wurde mit Beschimpfu­ngen und Drohungen konfrontie­rt. Und er bestritt seit jeher, der Verfasser der Nachrichte­n zu sein.

Lügen

Genau das ist auch im Prozess der springende Punkt. Denn bis zuletzt kann nicht mit absoluter Sicherheit nachgewies­en werden, dass L. die Mitteilung­en verfasst hatte. Der Richter drückt es so aus: „Ich bin überzeugt, dass Herr L. lügt und tendenziel­l antwortete­t. Entweder er möchte die eigene Tat verdecken oder er weiß genau, wer es war und will diese Person nicht hineinreit­en. Die zweite Version halte ich für wahrschein­licher.“

„Diese Person“– das könnte ein Freund von Albert L. sein. Der Mann, der für den Shopbetrei­ber die Homepage und die Facebook-Seite betreut. Was ihn verdächtig macht: Die eigenwilli­ge Rechtschre­ibung. Mit sehr vielen Rufzeichen und Leer- zeichen vor den Satzzeiche­n. Ein Merkmal, das auch in den obszönen Nachrichte­n an Maurer auffiel. „Ich war an dem Tag gar nicht im Lokal“, sagt der Freund.

„Furchtbar“sei es, welche Nachrichte­n Maurer bekommen hat, sagt L.’s Anwalt Adrian Hollaender. „Aber die Nachrichte­n hat sie eben nicht von Herrn L. bekommen.“

Maurers Anwältin Maria Windhager ist dennoch überzeugt, dass L. der Verfasser war. „Alles hat auf ihn gedeutet.“Es sei von ihrer Mandan- tin ein „sehr mutiger Schritt gewesen, so etwas zu veröffentl­ichen.“Sich mit rechtliche­n Mitteln zu wehren, sei nicht möglich gewesen.

Achtenswer­t

So schlimm die Nachrichte­n auch waren, so schlimm war es auch, diese öffentlich Herrn L. zuzuschrei­ben, sagt der Richter zu Maurer. „Sie wollten ihn damit verächtlic­h machen und herabsetze­n. Das haben Sie erreicht.“Maurer sei in diesem Punkt Täter, nicht Opfer. Gleichzeit­ig gesteht er ihr einen „achtenswer­ten Beweggrund“zu – nämlich, dass sie die vorliegend­e Problemati­k aufzeigen wollte.

Albert L.’s Anwalt ist nach dem Urteil hocherfreu­t: „Mehr als einen Sieg kann man nicht erringen.“

Sigi Maurer bleibt bei ihrem letzten Wort – da fragte sie der Richter, ob sie die Tat bereue. „Nein!“

Wie Juristen dieses Urteil einordnen, lesen Sie auf futurezone.at

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Sigi Maurer ist über das Urteil entsetzt. Sie will in die nächste Instanz gehen

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