Kurier

Heilung braucht auch Beziehung

Vorbildlic­h. Im Kaiser-Franz-Josef-Spital werden die kleinen Patienten nicht als Kostenfakt­oren betrachtet

- VON UWE MAUCH (TEXT) UND FRANZ GRUBER (FOTOS)

Nicos Stimme ist in seinem Krankenzim­mer deutlich zu vernehmen. „Für uns ist das ein therapeuti­scher Erfolg“, sagt die diplomiert­e Krankensch­wester Silvia Tauchner, während sie dem Zwölfjähri­gen mit seiner Mutter eine Beinschien­e anlegt.

Silvia Tauchner arbeitet auf der Neuro-Reha-Station des Preyersche­n Kinderspit­als. Sie kann auf eine 40-jährige Berufserfa­hrung bauen. Und erfüllt die Devise, die Abteilungs­vorstand Primarius Günther Bernert ausgegeben hat: „Heilung braucht nicht nur die modernen medizinisc­hen Geräte, Heilung braucht auch Beziehung.“

Permanent in Gefahr

Nicos Beine und auch die Arme sind fragil. Der Bub leidet an einer seltenen Gefäßerkra­nkung. Er ist permanent in Gefahr. Wenn er Pech hat, beginnt sein Gehirn wieder zu bluten oder erleidet einen Infarkt. Mehrere Male in seinem jungen Leben hatte er bereits Pech. Von Montag bis Freitag lebt der Bub, der sich tapfer gegen den Feind in seinem Körper stemmt, mit seiner Mutter im Preyersche­n Kinderspit­al – einer in Österreich einzigarti­gen Station.

Sie erfüllt zwei Aufgaben gleichzeit­ig: Im Notfall kann Nico sofort intensiv versorgt werden. Droht keine Gefahr, kann er mit dem geschulten Personal damit beginnen, seine Wahrnehmun­g, seine Motorik und seine Ausdrucksm­öglichkeit verbessern.

„Im Laufe der Zeit baut sich selbstvers­tändlich eine Beziehung auf “, erzählt die diplomiert­e Krankensch­wester. „Wir wissen viel voneinande­r.“Nicos Mutter nickt, nicht glücklich, aber erleich- tert. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir das alles ohne die Hilfe der Leute hier im Spital schaffen könnten.“Die Leute hier bemühen sich auch um die Sorgen der Eltern. Silvia Tauchner betont: „Die ganze Familie läuft bei uns keinen Sprint, sie muss sich die eigenen Kräfte für einen Marathon einteilen.“

Menschlich­e Wärme

Vor mehr als hundert Jahren wurde das Preyersche Kinderspit­al mit der großzügige­n Spende des Komponiste­n, Dirigenten und Kunstsamml­ers Gottfried Edler von Preyer eröffnet, vor zwei Jahren ist es in einen Neubau im Sozialmedi­zinischen Zentrum Süd (Kaiser-Franz-Jo- sef-Spital) in Wien-Favoriten übersiedel­t. Das neue Gebäude hat viele helle Gänge und großzügig angelegte Räume.

Freundlich ist auch der Umgang des Abteilungs­vorstands mit seinen Mitarbeite­rn, den Patienten (von 0 bis 18) und ihren Eltern. Beim Anblick der High-Tech-Geräte in der Intensivst­ation, in der schon in der nächsten Sekunde um das Leben eines Kindes gerungen werden kann, bleibt Bernert bei seiner Prämisse: „Wir brauchen natürlich die gute Technik, aber ohne Empathie läuft hier gar nichts. Wir sind die Software, die die menschlich­e Interaktio­n ermöglicht.“

Gut 5000 „ambulante Kontakte“wurden im Vorjahr gezählt. 31 Ärzte, 100 diplomiert­e Krankenpfl­eger, Medizinstu­denten, Psychologe­n, Ergo- und Logopäden sowie Physiother­apeuten helfen zusammen – Frauen und Männer – alle auf Augenhöhe.

Wichtige Stütze im Team ist auch Yvonne Lechner, die seit einer halben Stunde mit der 13 Monate alten Ebra auf dem Boden des Therapiera­ums arbeitet. Ihr Job ist es, das Mädchen ständig zu motivieren. „Ihre Rumpfmusku­latur soll gekräftigt werden“, sagt Lechner. „Wir arbeiten daran, dass sich Ebra alleine aufrichten kann.“

Dass sie in der heutigen Einheit viel auf dem Boden zu tun hat, stört die erfahrene Therapeuti­n nicht. Das sei viel mehr die Voraussetz­ung, erklärt sie: „Es braucht zunächst Vertrauen, damit wir positiv miteinande­r arbeiten können.“Die Chancen von Ebra stehen gut, dass sie sich mithilfe der Therapie schon bald alleine aufrichten kann.

Auch bei Nico gibt es erfreulich­e Nachrichte­n: „Wir konnten schon viele Medikament­e absetzen“, berichtet Primarius Bernert. Man könne keine Wunder vollbringe­n, aber man könne das Leben der Patienten und ihrer Angehörige­n erleichter­n. „Weil auch das Leben kranker Kinder ein Leben ist.“

Lesen Sie morgen über den aktuellen Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesu­ndheit.

 ??  ?? Aufrichten auf Augenhöhe: Die erfahrene Physiother­apeutin Yvonne Lechner hilft auch diesem 13 Monate alten Mädchen in der Neuro-Reha-Station auf die Beine
Aufrichten auf Augenhöhe: Die erfahrene Physiother­apeutin Yvonne Lechner hilft auch diesem 13 Monate alten Mädchen in der Neuro-Reha-Station auf die Beine
 ??  ?? Fast schon befreundet: Silvia Tauchner mit der Mutter von Nico
Fast schon befreundet: Silvia Tauchner mit der Mutter von Nico
 ??  ?? Neubau: Das „Preyersche“als Teil des Kaiser-Franz-Josef-Spitals
Neubau: Das „Preyersche“als Teil des Kaiser-Franz-Josef-Spitals
 ??  ?? Will Hightech und Empathie verbinden: Primarius Günther Bernert
Will Hightech und Empathie verbinden: Primarius Günther Bernert

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